Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis 2015 – Lesejahr B – Pfr. Michael Witti
ich bin seit einiger Zeit bei Facebook. Alle, die meine Nachrichten sehen können und deren Nachrichten ich sehen kann, werden dort „Freunde“ genannt“. Im Handumdrehen hatte ich da ein paar Hundert „Freunde“. In den letzten Tagen sind es ein paar weniger geworden. Ich habe einige der sogenannten „Freunde“ bewusst dort gelöscht. Ich habe bei ihnen gepostete Nachriten entdeckt, die ich bei ihnen nie vermutet hätte, die mich zutiefst schockiert haben. Rechtsradikales Gedankengut überschwemmt derzeit Facebook und andere soziale Medien. Es ist abscheulich, mit welcher billigen Hetze rechte Verbrecher hier ihr Gedankengut verbreiten wollen. Billige Thesen voller Hass sind es – und viele klicken sie an und teilen sie bedenkenlos auf ihrer Seite. Es sind in diesen Tagen nicht einige wenige, die das Streichholz in der Hand halten, um Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden. Das teuflische Gedankengut voller Hass und Sozialneid ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft, in der Mitte unserer Pfarreien angekommen. Gnade uns Gott, wenn wir nicht bereit sind aus unserer Geschichte zu lernen.
Vielleicht ist Jesu Frage aus dem Evangelium hier und heute aktueller denn je:
„Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu Essen haben?“
Auch damals haben die Jünger angefangen zu diskutieren, wie denn das Problem mit all den Leuten, die etwas von ihnen wollten, zu lösen sein. Diskussionen alleine aber bringen niemanden weiter, damals nicht und heute nicht.
Damals kam ein kleiner Junge. Ohne lange Diskussion gab er, was er hatte: fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Und das Wunder geschah: Alle wurden satt…
Einer diskutierte nicht lange, er gab, was er gerade da hatte, ohne deshalb irgendeinen Mangel zu leiden. Einer half einfach, packte an und das Wunder geschah… Und dieses Wunder geschieht auch heute noch.
Letzte Woche machte die Bischöfliche Pressestelle in Passau eine Umfrage, wie man in den Pfarreien, in denen Flüchtlinge einquartiert sind, versucht diesen zu helfen. Als ich aus unserem Pfarrverband hier dann gelesen hab, was alles allein schon durch unseren Helferkreis in Heiligkreuz und Trostberg geschieht, wusste ich, dass sich auch heute dieses Wunder mitten unter uns ereignet. In der Antwort auf die Umfrage war folgendes zu lesen:
1) Finden in Ihrer Gemeinde Flüchtlinge Zuflucht? Wenn ja, woher stammen Sie?
In der Pfarrei Heiligkreuz (südlichster Zipfel des Bistums) finden ca. 40 Flüchtlinge Zuflucht. Sie stammen aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Kosovo, auch aus Palästina und Pakistan Zuflucht… Seit dem vergangenen Wochenende kommen noch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hinzu. Ihre Zahl schwankt täglich von 5 bis 30 Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren. Sie sind in Trostberg beim Krankenhaus untergebracht, aber werden auch von „unseren“ Leuten unterstützt.
Können Sie uns ganz kurz beschreiben ein Hilfsprojekt läuft?
Bistumsübergreifend gibt es:
- Freiwillige Einzelpersonen: Spiele-/Talentabende unter anderem auch mit Firmgruppen; Patenschaften für Familien und Einzelpersonen; Sammlung von Kleidung und Haushaltsbedarf, Begleitung zu Ämtern, Behörden, Ärzten, Geburt, Krankenhaus, Kleiderkammer, Tafel,…; Begrüßung und intensive Betreuung der Flüchtlinge bei Erstankunft; Vermittlung von Arbeit mit Hilfe bei der nötige Bürokratie; Malunterricht, Jugendliche geben Zumba etc., ….; Ausflüge in die nähere Umgebung; Radltouren, Beteiligung an der Kunstmeile
- Deutschkurse: werden regelmäßig angeboten
- Sportvereine TSV Heiligkreuz und TSV 1860 Trostberg: Schwimmkurse, Fußball (mit Integration in AH-Mannschaft und Mannschaft im regulären Spielbetrieb), Ringen, Volleyball, Stockschießen
- Kolpingfamilie: die drei örtlichen Kolpingsfamilien haben das Cafe International (seit Januar 2015, 1x monatlich) ins Leben gerufen. Dabei werden Traditionen und Bräuche aller Kulturen ausgetauscht. Doch vor allem sollen „Einheimische und Flüchtlinge“ in Kontakt kommen; es gab Schlittenfahrten; Einladung zum Bobbycar- und Seifenkistenrennen
- Tag des Verstehens: gemeinsamer Kinoabend wobei Flüchtlinge orientalisch gekocht haben
- muslimische Gemeinde: im Ramadan lud die muslimische Gemeinde zum täglichen Fastenbrechen in die örtlichen Moscheeräumlichkeiten ein und bietet die gemeinsame Mahlzeit kostenlos an
- Kindergärten: Bereitstellung von Krippen-/Kindergartenplätzen auch kurzfristig
- örtliche Lebensmittelgeschäfte: unkomplizierte Lebensmittelspenden im Bedarfsfall und auf Abruf
Und sehr viel mehr, u.a. ein monatlicher Stammtisch für den Helferkreis zum Austausch und Information
3) Wer hilft?
Ein Helferkreis, bestehend aus derzeit 36 Ehrenamtlichen die sich um alles kümmern was gerade ansteht und 15 ehrenamtliche Lehrer die Deutschunterricht täglich erteilen. örtliche Vereine, Pfarrgemeinderäte, örtliche Rechtsanwälte, Kinderärzte, Zahnärzte
Meine Lieben,(F
diese Aufstellung hat mich unglaublich beeindruckt. Sie zeigt mir im Blick aufs Evangelium: Wunder sind auch heute noch möglich. Wir brauchen nur den Mut jenes kleinen Jungen, der mehr von Gott verstand, als alle, die nur diskutierten. Amen.
(Foto: Limmer)