Liebe Brüder und Schwestern,
warum sind wir heute eigentlich hier? Was tun wir hier überhaupt? Haben sie heute abend/morgen wirklich nichts Besseres zu tun, als sich hier in der Kirche herumzusitzen?
Vielleicht wurden sie, als praktizierende Christinnen und Christen schon einmal mit solchen oder ähnlichen Fragen konfrontiert, sei es vom aufmüpfigen Familiennachwuchs, sei es von kritischen Nachbarn oder Kollegen, oder von sonst jemandem.
Oft mag eine solch provozierende Fragerei nur noch nervig sein, aber dennoch bleibt die Frage, wie ich damit konkret umgehe. Und wenn wir ehrlich sind, treffen doch solche kritischen, ja zuweilen auch ablehnenden Fragen ins Zentrum unseres gelebten Glaubens.
Was würden sie nun antworten, wenn sie jemand fragt, ob sie wirklich nichts Besseres zu tun haben, als heute hier herumzusitzen?
Die Antworten könnten wohl ganz verschieden ausfallen. Von einem fast zornigen „Ich weiß halt noch, was sich gehört!“, über ein eher pragmatisches „Das war schon immer so!“, bis hin zu vielleicht ratlosem Schweigen. Aber werden wir damit dem gerecht, was wir tun, wenn wir GOTTESDIENST feiern?
Schon der Name diese Feier kann ja Verwirrung stiften: „Gottes-Dienst“ – Wer dient denn da wem? Verrichten wir hier einen Dienst für Gott? Ist Gott darauf angewiesen dass wir armselige Kreaturen ihm dienen? Aber was wäre denn das für ein Gott, der auf unsere Dienste angewiesen wäre?
Schon das Alte Testament will mit solch fatalen Gottesvorstellungen Schluss machen, wenn es etwa in Psalm 50 Gott selber spricht: „Höre, mein Volk, ich rede. Israel, ich klage dich an, ich, der ich dein Gott bin. Nicht wegen deiner Opfer rüg‘ ich dich, deine Brandopfer sind mir immer vor Augen. Doch nehme ich von dir Stiere nicht an noch Böcke aus deinen Hürden. Denn mir gehört alles Getier des Waldes, das Wild auf den Bergen zu Tausenden. Ich kenne alle Vögel des Himmels, was sich regt auf dem Feld, ist mein eigen. Hätte ich Hunger, ich brauchte es dir nicht zu sagen, denn mein ist die Welt und was sie erfüllt. Soll ich denn das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? Bring Gott als Opfer dein Lob, und erfülle dem Höchsten deine Gelübde!“
Um wirklich zu verstehen, was „Gottesdienst“ ist und will, ist es hilfreich den ursprünglichen griechischen Ausdruck dafür zu betrachten: „Leiturgia“ (= Liturgie). Das wiederum stammt von den zwei Begriffen ab: léitos = zum Volk + ergon = Werk
Liturgie ist demnach „Volkswerk“, d.h. der zum Wohl des Volkes geleistete Dienst.
Schwestern und Brüder,
nicht wir sind also hier um für Gott einen Dienst zu tun; ER ist hier um uns zu dienen. ER ist kein herrschsüchtiger Despot, der uns zusammentrommelt um sein Recht einzufordern.
Gott ist vielmehr ein leidenschaftlich Liebender, der fast zärtlich um uns werben will. ER will uns dienen, uns für unser tägliches Leben seinen Liebesdienst erweisen, indem er uns sein Wort und seine stärkende Nähe geheimnisvoll schenkt.
Der Täufer Johannes hat im Evangelium bekannt: „Auch ich kannte ihn nicht…“, aber er hat dennoch Gottes Ruf gehört und mit seinem Leben leidenschaftlich auf diesen zärtlichen Ruf geantwortet.
Genau dieses Spiel von Ruf Gottes und Antwort des Menschen erleben wir hier jedes Mal zeichenhaft im Wortgottesdienst der Messe:
Wir hören Gottes Wort in der ersten Lesung, die thematisch meist dem Evangelium zugeordnet ist. Doch das hören alleine genügt nicht, um Gottes Wort aufzunehmen. Daher will uns der Antwortpsalm, den der/die KantorIn vorträgt, einladen das Thema der ersten Lesung nochmals meditierend zu vertiefen und in den gesungenen Rufen der Gemeinde einen ersten zaghaften Antwortversuch auf Gottes werbendes Wort zu geben. Dem schließt sich die zweite Lesung aus dem neuen Testament an, in der fortlaufend Sonntag für Sonntag einzelne Briefe oder Bücher vorgetragen werden. Nach der zweiten Lesung dann fordert uns der/die KantorIn im Halleluja auf, uns aufzumachen, aufzustehen und uns auch innerlich aufzutun für das Evangelium, in dem Jesus seine Frohe Botschaft direkt in unser Leben hineinspricht. In der Predigt wird dann das gehörte Gotteswort in unser alltägliches Leben hineingetragen und die Gemeinde antwortet darauf, indem sie sich zu diesem Glauben bekennt und dann ihre aktuellen Bitten und Anliegen vor Gott hinträgt, bevor sie das Mahl der Versöhnung und des Lebens feiert.
Schwestern und Brüder,
spüren sie, welch lebendiger Dialog Gottesdienst sein will? Wie Gott uns in dieser Feier liebevoll umwirbt, um uns eine Antwort auf seine liebende Frohbotschaft zu entlocken. Das ist Gottesdienst, der Dienst Gottes an unserem Leben.
Einige von ihnen erinnern sich sicherlich noch an die alte Liturgie. Damals zählte alleine das, was der Priester – meist still – in den Altar hineinmurmelte. Das Volk hatte stumm zu sein, konnte bestenfalls still und andächtig beten, ohne zu verstehen, worum es wirklich ging. Selbst die festliche Kirchenmusik war – liturgisch betrachtet – nicht mehr wert, als die Blumenvase die am Altar stand. Sie sollte nur der frommen Erbauung des Volkes dienen; genuiner Bestandteil der Liturgie war sie nicht.
Umso kostbarer war die Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils, das uns die ursprüngliche Bedeutung und Lebendigkeit der gottesdienstlichen Feiern wieder erschließen wollte. Und nicht minder kostbar sind hier für uns die vielen Männer und Frauen, die in den verschiedensten Diensten, als Lektoren, Kantoren, Kommunionhelfer, Ministranten, Musiker, Chöre uvm. dazu beitragen, dass diese Lebendigkeit erlebbar wird, dass man spüren kann, dass nicht mehr der Priester die „Messe liest“ Wie alle feiern im Zusammenspiel der vielen Dienste gemeinsam die „Große Danksagung für den wunderbaren Dienst, den Gott uns für unser Leben erweist!
Amen.