Meine Lieben,
ich war immer ganz begeistert von ihnen, nur dieses Mal hat es mich überhaupt nicht gereizt, sie anzuschauen: die diversen Jahresrückblicke, die dieser Tage über die Fernsehschirme flimmern. Ich fand es immer spannend, auf die vielen schönen und tragischen Momente eines Jahres bewusst noch einmal zurückzuschauen. Heuer fiel mir das schwer. Vielleicht liegt es daran, dass mir 2016 als ein Jahr der Konflikte und des Streits in Erinnerung bleiben wird; als ein Jahr des politischen Rechtsrucks – auch innerhalb etablierter Parteien; als ein Jahr, in dem viele Agitatoren große Ängste geschürt haben. War 2016 so ein Jahr der Angst für viele Menschen in unserem Land? War es das auch ein Stück weit für mich?
Es mag manches gegeben haben, vor dem man sich ängstigen konnte: international sind die Kriege und Konflikte noch blutiger und der Frieden ist vielerorts noch unwahrscheinlicher geworden. Die Kluft zwischen Arm und Reich bleibt. Korruption und die weltweite Ausbeutung von Mensch und Umwelt sind weiterhin die größten Geißeln der Weltbevölkerung.
All das könnte einem – weiß Gott – Angst machen. Aber all das gab es auch schon in den Jahren zuvor. Dennoch schaue ich auf 2016 sorgenvoller zurück, als ich es in den vergangenen Jahren getan habe. Einen offensichtlichen Grund gibt es dafür nicht. Aber vielleicht ist gerade dieses fehlen wirklicher Gründe, der eigentliche Grund für meine Sorge.
Das Phänomen, das mir am meisten Angst macht, ist die Panikmache, der hemmungslose Populismus, die erbärmliche Hetze, die hemmungslos und ungestraft um sich greift.
Nie zuvor ist es unserem Land – wenn man die realen Zahlen anschaut – so gut gegangen, wie 2016. Die Steuereinnahmen haben auf allen Ebenen sämtliche bisherigen Rekorde gebrochen. Die Sozialsysteme erscheinen so sicher, wie lange nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit ist rekordverdächtig niedrig. In unserer Region spricht man von Vollbeschäftigung. Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre ging an Deutschland geradezu spurlos vorüber. Der private Konsum ist ebenso erstaunlich gut, wie das durchschnittliche Privatvermögen der deutschen Haushalte.
Wir hätten allen Grund stolz und dankbar zu sein. Sicherlich gibt es vieles, das man in diesen guten Zeiten jetzt noch anpacken könnte: die Frage nach den Renten, nach der sozialen Absicherung am Ende eines Arbeitslebens, die Frage nach einer vernünftigen Schul-, Verkehrs- oder Umweltpolitik, die Frage nach der Zukunft unsere Welt…
Aber es wird nur gejammert und geklagt – und gerade seit 2016 auch unverhohlen populistisch gehetzt und polarisiert. Statt die wirklichen Probleme anzugehen, sucht man sich – wieder einmal – Sündenböcke unter denen, die sich am wenigsten wehren können. Auch etablierte Politiker haben sich nach und nach immer mehr in billigen Forderungen lautstark überboten, während die tatsächlichen Probleme nicht angepackt wurden. Aber der Ausbau von Kindergärten, Schulen und Hochschulen, die Infrastruktur hier bei uns – egal ob Straße oder Schiene, und all die anderen drängenden Fragen, die brauchen mehr als nur lautes Getöse und Stimmungsmache am rechten Rand.
Was sich zu all dem in den sozialen Medien 2016 abgespielt hat, hat mir wirklich Angst gemacht. Nicht nur die hehren Werte, sondern schlichtweg der normale Anstand scheinen 2016 vielerorts abhandengekommen zu sein.
Meine Lieben,
die Sorge, mit der ich auf das vergangene Jahr zurückschaue, sehe ich als aber auch als Auftrag für das kommende Jahr 2017. Ich als einzelner Christ, wir als christliche Pfarrgemeinde, unsere großen Kirchen, wir alle sind hier gefragt! Mehr noch als bisher, muss ich mich selber fragen, was meine christlichen Wurzeln sind, wie sehr ich die Botschaft Jesus Christi im Herzen trage und auch lebe. Ich bin als Christ gefragt und gefordert, diese Welt mitzugestalten, die Stimme zu erheben, mich einzusetzen. Auch wenn Jesu Reich oft nur so klein, wie das biblische Senfkorn zu sein scheint: Es kann wachsen – durch Dich und durch mich.
Der Neujahrstag ist der Weltfriedenstag und auch das Hochfest der Gottesmutter Maria. So, wie einst durch Maria, will Gott heute durch Dich und durch mich Mensch werden, will ER durch Dich und durch mich der Menschlichkeit Raum geben in dieser Welt. Wenn ich dazu bereit bin, wenn wir uns mit ihm und in seinem Geist auf den Weg machen, dann wird das neue Jahr 2017 zum Segen werden, so, wie es uns ein alter irischer Wunsch zusagt:
Geh deinen Weg ruhig – mitten in Lärm und Hast, und wisse, welchen Frieden die Stille schenken mag. Steh mit allen auf gutem Fuße, wenn es geht, aber gib dich selber nicht auf dabei. Sage deine Wahrheit immer ruhig und klar und hör die anderen auch an, selbst die Unwissenden, Dummen – sie haben auch ihre Geschichte. Laute und zänkische Menschen meide. Sie sind eine Plage für dein Gemüt. Wenn du dich selbst mit anderen vergleichen willst, wisse, dass Eitelkeit und Bitterkeit dich erwarten. Denn es wird immer größere und geringere Menschen geben als dich. Freu dich an deinen Erfolgen und Plänen. Strebe wohl danach weiterzukommen, doch bleibe bescheiden. Das ist ein guter Besitz im wechselnden Glück des Lebens. Übe dich in Vorsicht bei deinen Geschäften. Die Welt ist voll Tricks und Betrug. Aber werde nicht blind für das, was dir an Tugend begegnet. Sei du selber – vor allem: heuchle keine Zuneigung, wo du sie nicht spürst. Doch denke nicht verächtlich von der Liebe, wo sie sich wieder regt. Sie erfährt so viel Entzauberung, erträgt so viel Dürre und wächst doch voller Ausdauer, immer neu, wie das Gras. Nimm den Ratschluss deiner Jahre mit Freundlichkeit an. Und gib deine Jugend mit Anmut zurück, wenn sie endet. Pflege die Kräfte deines Gemüts, damit es dich schützen kann, wenn Unglück dich trifft, aber überfordere dich nicht durch Wunschträume. Viele Ängste entstehen durch Enttäuschung und Verlorenheit. Erwarte eine heilsame Selbstbeherrschung von dir. Im übrigen aber sei freundlich und sanft zu dir selbst. Du bist ein Kind der Schöpfung, nicht weniger wie die Bäume und Sterne es sind. Du hast ein Recht darauf, hier zu sein. Und ob du es merkst oder nicht – ohne Zweifel entfaltet sich die Schöpfung so, wie sie es soll. Lebe in Frieden mit Gott, wie du ihn jetzt für dich begreifst. Und was auch immer deine Mühen und Träume sind in der lärmenden Verwirrung des Lebens – halte Frieden mit deiner eigenen Seele. Mit all ihrem Trug, ihrer Plackerei und ihren zerronnenen Träumen – die Welt ist immer noch schön!
Amen.
(Text/Bild: Witti)