Meine Lieben,
„Aus Kindern werden Leute…“ – Meist schwingt ein bisschen Wehmut bei dieser Redewendung mit. Viel zu schnell ging es dann Eltern oder Großeltern, die das Heranwachsen der Kinder begleiten. Ganz ähnlich geht es mir mit dem Fest der „Taufe des Herrn“ an diesem Sonntag. Aus dem Kind von Bethlehem wurde ein erwachsener Mann, der nun am Beginn seines Wirkens am Ufer des Jordan steht, um sich von Johannes taufen zu lassen. Die Weihnachtszeit hat mit dem heutigen Fest ihr liturgisches Ende gefunden.
Gleichzeitig merke ich aber auch, wie wichtig es ist, nicht einfach nur bei dem niedlichen Säugling in der Krippe stehenzubleiben. Ich soll mich auch der alles verändernden Botschaft stellen, die der erwachsene Jesus dann den Menschen verkündet hat. Und wenn ich an diesem Sonntag höre, wie Jesus selbst sich in die Schar der Menschen einreiht, um sich sehr bewusst taufen zu lassen, dann frage ich mich: „Was bedeutet die Taufe für mich in meinem Leben?“ Wirklich bewusst hab ich sie damals ja als Kleinkind nicht empfangen.
Ganz anders hab ich das aber im vergangenen Jahr erlebt. Ich durfte zwei junge Männer begleiten, die als Erwachsene getauft werden wollten. Im Laufe der Vorbereitung bin ich selber immer mehr zu einem Lernenden in Sachen „Taufe“ geworden. Bei mehreren Treffen haben wir uns von entscheidenden oder einschneidenden Erlebnissen erzählt, in denen wir uns geschützt und getragen gefühlt haben. Da gehörte ein Verkehrsunfall ebenso dazu, wie die Geburt eines Kindes. Im kleinen Kreis konnte hier auch gesagt werden, dass man in solchen Momenten Gott im eigenen Leben gespürt habe. Die beiden jungen Männer, die ich dann im letzten Jahr in der Osternacht taufen durfte, wollen diese Erfahrung, dass Gott im eigenen Leben da ist, für sich leben und auch an ihre Kinder weitergeben. Deshalb haben sie sich zur Taufe entschieden.
Meine Lieben,
ich hab im vergangenen Jahr mit den beiden noch viel intensiver als in vielen Vorlesungen des Studiums gelernt, was mir die Taufe bedeutet. Es ist ähnlich, wie im heutigen Evangelium:
Auch Jesus, der Mensch gewordene Gott, reiht sich am Jordan ein unter die Sünder, unter jene, die auf die Bußpredigt des Johannes hin in der Taufe ein Zeichen der Umkehr und des Neuanfangs setzen wollen. Jesus stellt sich in eine Reihe mit allen Menschen, die ihre Schwächen und Fehler kennen, die auch Dunkelheit und Schmerz im Leben erfahren haben. Jesus stellt sich in eine Reihe mit all den Menschen, die sich auch heute noch große Lebensfragen stellen, die für ihr Leben einen tieferen Sinn suchen, als er uns allerorten angeboten wird. Jesus reiht sich heute auch unter uns ein, will uns zeigen, was es heißt „Mensch“ zu sein, „menschlich“ zu werden und darin einen wirklichen Sinn für dieses Leben zu finden, so wie es die Taufe für Dich und mich wollte.
Mutter Theresa von Kalkutta hat aus unverbrüchlichem Glauben heraus einen möglichen Weg zu so einem sinnerfüllten Leben einmal ganz einfach formuliert. Sie sagte:
„Lass es nie zu, dass jemand zu dir kommt, der unglücklicher von dir weggeht, als er gekommen ist.“
Ich glaube, darin kann ich den tiefen Sinn meiner Taufe, ja, den wirklichen Sinn meines Lebens entdecken: Sie ist einerseits Gottes Geschenk an mich, in dem er mir seine liebevolle Nähe zeigen will. Sie beinhaltet aber auch die Aufgabe, die Gott mir zugedacht hat: Bewusst als Mensch, als Christ, in dieser Welt zu leben. Je mehr mir das gelingt, desto mehr gild – ähnlich wie bei der Taufe Jesu am Jordan – Gottes unverbrüchliches Wort auch für mich:
„Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter. An dir habe ich Gefallen gefunden.“
Amen.
(Text: Witti/Bild: Wastl)