Predigt zum Fest der Taufe des Herrn 2015 – Pfr. Michael Witti
WIR sind die Alteingesessenen, sie sind die Fremden. Je kleiner der Ort, desto stärker diese Abgrenzung. Ich grenze mich so von anderen ab und grenze damit automatisch andere aus. Die Anderen sprechen anders, kochen, riechen und feiern anders. Sie tragen andere Kleidung. Sie fallen einfach auf, weil sie nicht so sind wie ich – und ich bin doch schließlich das einzig gültige „Maß aller Dinge“, oder?
Normalerweise fällt mir das, was hierbei passiert, gar nicht auf. Ich spüre es erst, wenn ich selber der Fremde, der Ausgegrenzte, bin. Wie minderwertig man sich dann schnell vorkommen kann, erlebte ich – ganz ohne Auslandsaufenthalt – bei einer Werkwoche im Rahmen meiner Medienausbildung in Saarbrücken. Beim Saarländischen Rundfunk wurde ich mit Kollegen aus ganz Deutschland in die Radioarbeit eingeführt. Die Texte die ich dabei abgeliefert habe, waren offenbar gut. „Schreiben kann er, der Niederbayer, aber als Sprecher ist er mit seinem Slang und seinem rollenden „R“ hier unzumutbar.“ – Ich bin mir vorgekommen, wie der letzte Depp. Ein ebenfalls bayerischer Kollege aus Burghausen kam nur deshalb sprechend auf Sendung, weil er quasi als bayerische Witzfigur die saarländische „Fasenacht“ lustig kommentiert hat.
Ich bilde mir immer noch ein, dass ich der deutschen Hochsprache mächtig bin, aber allein schon meine erkennbare Dialektfärbung reichte, um gewissermaßen ausgegrenzt zu werden. „Er kann was, aber hier können wir den nicht brauchen. Der gehört nicht hierher…“
Wenn ich nach dem Grund suche, warum auch ich mich gegenüber Fremden manchmal so verhalten, ist die Antwort einfach: Wenn ich mich mit Fremden einlasse, begegne ich einer unbekannten Welt. Das verunsichert, das macht Angst und lässt oft Abneigung aufsteigen: „Das kenne ich nicht. Das verstehe ich nicht. Das will ich hier nicht haben!“
Wir erleben, wie sich diese irrationalen Ängste, geschürt durch Hintermänner, die der illegalen rechtsradikalen Szene angehören, derzeit bis hin zur Fremdenfeindlichkeit steigern. Tragisch ist für mich, dass das vor allem im Osten unseres Landes geschieht, wo die Christen, die ein ganz anderes Welt- und Menschbild vertreten, in der verschwindenden Minderheit sind, wo auch die klaren Worte des Papstes und der Bischöfe kaum gehört werden.
In der Zweiten Lesung aus der Apostelgeschichte hat es heute ja geheißen: „Ihr seid Fremde und Gäste in dieser Welt“.
Auch ich bin also – laut Petrus – hier nur „Gast“, „Fremder“, und das nicht nur, wenn ich im Saarland Radio machen soll. Meine eigentliche, ewige Heimat ist größer, ist ewig, ist in Gott.
Dieser Gott, der in Jesus Menschen und in der Taufe am Jordan Bruder aller Menschen geworden ist, zeigt mir hier eine Weite, eine Offenheit, eine weltumspannende Geschwisterlichkeit die mich selber hinterfragt und herausfordert.
Glauben heißt dann ja, mich hineinnehmen lassen in Gottes Weite. Wie schwierig das ist, spürte schon die junge Kirche zur Zeit der Apostel. Wenn wir bei der Lesung aus der Apostelgeschichte ein wenig zurück- und ein wenig vorblättern, wird das deutlich. Am Anfang galt unter Christen: Nichtjuden ist als Ungläubigen der Zugang zur Gemeinschaft der Christen versperrt. Wir alle hier hätten so nie getauft werden können. Doch dann lernt Petrus in einer göttlichen Vision, dass Andere, Fremde, nicht von vorneherein ausgegrenzt werden dürfen. Das verändert seine Einstellung grundlegend und so sagt Petrus in der eben gehörten Lesung: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich …“. Nach langem Kampf mit sich selbst und unter den Aposteln hatte er gelernt: „Gott sieht nicht auf die Person.“ Und: „Jesus ist der Herr aller.“ Für Gott und vor ihm gibt es keinen Unterschied im Menschsein. Nicht die Zugehörigkeit zu einer Volks- oder Religionsgruppe ist für ihn entscheidend, sondern allein, wer seinem Gewissen und Gottes Willen folgend glaubwürdig zu leben versucht.
Meine Lieben,
in diese weltumspannende Gemeinschaft sind wir durch unsere Taufe hineingenommen. Von Anfang an musste die Kirche – oft genug schmerzlich und nach schweren Sündenfällen – lernen, nicht ab- und auszugrenzen, sondern zur Schwester aller Menschen zu werden, so wie Jesus im Kind Bruder aller wurde, so wie er sich bei der Taufe am Jordan in eine Reihe gestellt hat, mit all den Menschen, den Sündern und den Frommen, seiner Zeit.
Es ist keine einfache Lektion, diese geschwisterliche Sicht auf alle Menschen im alltäglichen Leben zu praktizieren. Wie bereichernd sie aber sein kann, zeigt mir aber etwa das Beispiel der Heiligkreuzer Kolpingjugend. Sie haben am Silvestertag die Flüchtlinge in der Wäschhauser Unterkunft besucht und am Kickerkasten spontan ein lustiges Tischfußball-Turnier ausgetragen. Gemeinsam hat man gelacht und Zeit verbracht. Der Fremde, der Andere, der, vor dem sich viele in diffuse Ängste und Vorurteile flüchten, war plötzlich ein lustiger und liebenswerter Mensch, ein „Bruder im Herrn“.
Ich glaube ganz fest, dass auch in diesem Moment sich der Himmel ein wenig aufgetan hat und Gott selber hat wohl gelächelt und gesagt:
„So bist du jetzt mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!“
Amen.
(Bild: Mediathek Bistum Passau)