Meine Lieben,
„System der Kirche am Ende“ – So lautete die ernüchternde Schlagzeile eines Berichtes zum diesjährigen Weltgebetstag um geistliche Berufe, den die Kirche am heutigen 4. Sonntag der Osterzeit, dem „Sonntag vom guten Hirten“, traditionell feiert. Der Bericht basiert auf einem lesenswerten Interview mit Hartmut Niehues, dem Sprecher all derer, die in Deutschland für die Priesterausbildung zuständig sind.
„Das System, wie es bisher besteht, ist am Ende“, meinte er wörtlich. Das gelte für die Ebene der Gemeinden, die Strukturen darüber sowie für die Priesterausbildung. Bei den Priesteramtskandidaten sei die katholische Kirche in Deutschland „quasi an der Nulllinie“ angekommen, so Niehues im Blick auf den heutigen Weltgebetstag um Geistliche Berufe. Auch im Bistum Passau gibt es heuer ja wieder einmal keine Priesterweihe. Eine ganze Reihe von Pfarrern will im kommenden Jahr in Ruhestand gehen. Ausreichend Nachfolger sind auch bei uns hier nicht in Sicht.
Zugleich meinte Niehues im Interview, dass es immer weniger Kirchenmitglieder gäbe, die den sakramentalen Dienst eines Priesters überhaupt wahrnehmen. „90 Prozent unserer Leute nehmen sonntags nicht an der Eucharistie teil. Beichte und Krankensalbung sind selten geworden“, so Niehues. Es stehe die Frage im Raum, ob die Menschen heutzutage „überhaupt noch damit rechnen, dass Gott in ihnen handelt. Und dass sein Handeln erfahrbar ist in den sakramentalen Zeichenhandlungen, die die Kirche seit frühester Zeit feiert.“ Niehues plädierte für eine stärkere Einbeziehung der Laien in die Seelsorge. Diese könne von hauptberuflichen Kräften der Kirche angesichts von Priestermangel und größer werdenden Gemeindestrukturen gar nicht allein geleistet werden. „Jeder Getaufte ist für den anderen Seelsorger“, betonte Niehues. Aufgabe des Priesters müsse es in Zukunft sein, „die Getauften in ihrem Christsein und in ihrem Dienst für die anderen zu stärken“.
Hier denke ich, ist diese ernüchternde Bilanz nahe an dem, was sich auch Papst Franziskus an Diakonen, Priestern und Bischöfen wünscht: Sie sollen Hirten sein, die den „Stallgeruch der Herde“ an sich tragen. So paradox es sich auch anhören mag: Der Priester wird künftig nicht mehr immer und überall sein können. Er wird nicht mehr alles – wie scheinbar selbstverständlich – wahrnehmen können, was heute noch von den Gemeinden oft geradezu vehement verlangt wird. Dennoch wird er künftig umso mehr einer sein müssen, der trotz allem nahe an den Menschen ist. Diese Menschennähe ist künftig vielleicht noch wichtiger, als in früheren Zeiten. Denn nur so – befreit von manch anderen Verpflichtungen – kann er im Sinne Jesu mitten im Leben Spuren des Evangeliums aufzeigen und aus dem Leben heraus und für das Leben die Sakramente feiern. In Frankreich gibt es heute schon Seelsorgeeinheiten, die so groß sind, wie bei uns hier ein ganzer Landkreis. Ein Pfarrer mit einem nicht allzu großen Seelsorgeteam betreut dieses Gebiet. Dennoch sind so gut wie alle kleinen einstigen Gemeinden vor Ort auch noch lebendig. Dort hat der Bischof Gemeindemitglieder als Verantwortliche auf Zeit ernannt, die das Glaubensleben auch vor Ort am Leben halten, auch wenn der Pfarrer oder andere hauptamtliche Seelsorger vielleicht nur selten selber vor Ort sein können.
Meine Lieben,
so gibt mir dieser heutige „Weltgebetstag für Geistliche Berufe“ durchaus zu denken. Ich spüre, dass sich noch in meiner Generation vieles in unseren pfarrlichen Gegebenheiten grundsätzlich ändern wird. Aber mir ist dennoch nicht bang. Vielmehr bin ich gespannt, was Gottes Geist mit uns allen in der Welt von heute so vorhat. Denn ist diesem Gottesgeist spricht mitten im Leben der gute Hirte Jesus selber zu Dir und zu mir. Er will uns auch heute und morgen ermutigen, wenn er sagt: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen…“
Amen.
(Foto: Witti)