Predigt zum Fest des heiligen Stephanus 2014 – Pfarrer Michael Witti
„Sag mir, wer für dich groß ist und ich sage dir, wie groß du selber bist!“ – Dieses Sprichwort sagt am heutigen Fest auch viel über den heiligen Stephanus aus, der als erster sein Leben für den Glauben an Christus hingegeben hat. Seine Lebensgeschichte ist uns zwar wohlbekannt – und eben haben wir in der Lesung von seiner Ermordung gehört, aber verstehen können wir heutigen wohl kaum, wie jemand sein ganzes Leben, bis zu letzten Konsequenz, für seine Überzeugung, für seinen Glauben, einsetzen kann.
„Sag mir, wer für dich groß ist und ich sage dir, wie groß du selber bist!“ – Dieser Spruch hat mir geholfen, ein wenig besser zu verstehen, was eigentlich nicht zu verstehen ist. Für Stephanus war Jesus Christus der Größte, der Mensch gewordene Gott, der sich klein macht im Kind von Bethlehem, geboren im elenden Stall bei den Außenseitern der Gesellschaft. Stephanus hat daraus die Konsequenzen für sich gezogen: Wenn Gott sich den Menschen hingibt, dann müssen auch die Menschen füreinander da sein. Als Diakon hatte er in der frühen Kirche den Auftrag, das soziale Gewissen der Gemeinde zu sein, sich um benachteiligte, vernachlässigte oder schwierige Menschen zu kümmern. Wer sich im Sinne Jesu aber mit ganzen Herzen auf diesen Dienst an den Menschen am Rande einlässt, riskiert Konflikte damals, wie heute. Menschen, die die Menschlichkeit nicht nur selber leben, sondern auch von den anderen fordern sind unbequem. Sie provozieren andere, weil sie von großen Wortführern auch Taten einfordern. Stephanus, der selber Grieche und damit kein „Einheimischer“ unter den frommen Judenchristen und unter den Juden sogar ein Andersgläubiger war, kam so auch mit den religiösen Instanzen und Wortführern seiner Zeit in Konflikt. Stephanus verkündete und lebte den „Immanuel“, den „Gott mit uns“, den zwar schon die alten Propheten verkündet hatten, dessen radikale Konsequenzen aber viele Fromme verstörten. Für Stephanus war Glaube kein kompliziertes Gebäude aus unzähligen Ge- und Verboten, sondern einfach der Versuch, Jesu Liebesgebot zu leben. Er hielt daran fest, auch wenn es ihn das Leben gekostet hat. Noch im eigenen Sterben betet er für seine Peiniger, so wie es Jesus selber am Kreuz getan hat.
Meine Lieben,
„Sag mir, wer für dich groß ist und ich sage dir, wie groß du selber bist!“ – Wenn wir heute einerseits die Weihnachtslieder singen und auf das wehrlose Kind zwischen elenden Krippenbrettern schauen, andererseits aber auch vom Mord am Diakon Stephanus hören, dann fordert mich letztlich beides zutiefst heraus: GOTT wurde MENSCH bei den Außenseitern, bei den Schwachen, bei den Verlierern unserer Gesellschaft. Der gleiche Gott hat Stephanus Mut gemacht, als Diakon zum „Märtyrer“, also wörtlich übersetzt zum „Zeugen“ seiner Liebe zu den Menschen zu werden. Hab auch ich den Mut, in diesem Sinne zum „Märtyrer“ zu werden? Ich müsste dafür nicht mein Leben lassen. Meine „martyria“ mein „Zeugnis“ für Gott, könnte einfach nur in gelebter Liebe bestehen für die, die sonst oft genug mitten unter uns niemanden haben.
Amen.
(Bild: Bistum-Passau.de)