Der heilige Martin kann auch heute noch ein Vorbild sein – nicht nur für Kinder. Pfarrer Michael Witti erinnerte bei der Martinsfeier des Eglseer Kindergartens „St. Rupert“ an den Heiligen, dem das Schicksal der Menschen am Rand der Gesellschaft nicht gleichgültig war: „Der heilige Martin lebte das Wort Jesu: Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Die Legende des Heiligen zeigt, wie Menschen füreinander zu Lichtern in einer oft so dunklen und kalten Welt werden können: Um 334 war der achtzehnjährige Gardeoffizier in Amiens stationiert. Neben Chalons und Reims war Amiens seit den Tagen Caesars von strategischer Bedeutung. Es ist bekannt, daß dort eine Reitertruppe unter dem Namen „equites catafractarii Ambianenses” aufgestellt wurde. In eben jene Zeit fällt das Ereignis, das bis heute das Andenken an Martin wachhält:
Eines Tages, mitten im Winter, der derart hart war, dass viele Menschen der strengen Kälte zum Opfer fielen, begegnete Martin am Stadttor von Amiens (civitas Ambianensium) einem armen, unbekleideten Mann. Martin selbst trug außer seinen Waffen und seinem Militärmantel nichts bei sich. Als der Bedauernswerte nun die Vorübergehenden bat, sie möchten sich seiner erbarmen, diese jedoch an dem armen Mann vorübergingen, verstand Martin, vom Geist Gottes erfüllt, dass der Bettler ihm zugewiesen sei, da die anderen Menschen kein Erbarmen zeigten. Aber was sollte er tun? Außer seinem Militärmantel, den er trug, besaß er nichts, hatte er doch schon, was er sonst besessen hatte, für eine ähnliche barmherzige Tat verwendet. Deshalb fasste er sein Schwert, mit dem er gegürtet war, teilte den Mantel in der Mitte entzwei und gab die eine Hälfte dem Armen, mit der anderen Hälfte bekleidete er sich. Einige der Umstehenden machten sich über ihn lustig, da ihn der abgerissene Mantel entstellte. Durchaus glaubhaft ist, worüber sich nur spekulieren lässt, weil es militärischem Denken entspricht. Außer dem Spott seiner Mitmenschen habe Martin auch noch eine Arreststrafe seitens seiner Vorgesetzten hinnehmen müssen: drei Tage Haft wegen mutwilliger Beschädigung von Militäreigentum.
In der Nacht, die auf die Mantelteilung folgte, erschien Martin im Traum Jesus Christus, bekleidet mit Martins halbem Militärmantel. Zu den ihn umgebenden Engeln sprach Christus: „Martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet!” In diesem Traum sah der junge Offizier eine erneute Aufforderung, den Militärdienst aufzugeben, um in den Dienst Gottes zu treten. Nach mehrjähriger Vorbereitungszeit ließ sich Martin in Amiens, damals schon Bischofssitz , taufen. Seinen Militärdienst gab er aber noch nicht auf, weil sein Hauptmann, mit der er befreundet war, ihn gebeten hatte, erst nach zwei Jahren um die Entlassung aus dem Militärdienst zu bitten.