Meine Lieben,
warum glauben wir denn an diesen Jesus und seine Auferstehung von den Toten? – Margot Käßmann, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, wirft diese Frage mitten aus dem Leben heraus in einem ihrer Bücher so auf. Sie schreibt:
In einer Talkshow, in der ich über meinen Glauben sprach, sagte mir ein Mann: „Ich beneide Sie! Ich würde auch gern so glauben können.“ Und so begann in dieser Runde mit einem Sportler, einem Politiker, einer Moderatorin und anderen ein Gespräch darüber, wie gern viele Menschen glauben würden. Glauben, dass einer für dich sorgt. Dass du aufgehoben bist. Gott als ein Gegenüber empfinden können, das Lebensmut zusagt. Dich anvertrauen können im Leben und im Sterben. Ein wahrhaft erfülltes Leben führen, nicht weil ich erfolgreich oder siegessicher, schön oder reich bin, sondern weil ich mich gehalten weiß. Für mich wird immer wieder deutlich: Glauben heißt vertrauen, loslassen und sich anvertrauen. Das ist den einen möglich, weil sie hineinwachsen in den Glauben ihrer Mütter und Väter, Großväter und Großmütter, Gemeinden und Traditionen. So eine Erfahrung ist wie ein Geschenk, das dir mitgegeben wird auf dem Lebensweg. Und es tut gut, wenn ein Mensch auf diese Weise Lieder, Texte, Gebete, Überzeugungen mit ins eigene Leben hineinnehmen kann. Wenn das in einer Atmosphäre der Freiheit geschieht, wird sich der erwachsen werdende Mensch Zweifel gestatten und sich ungehindert entscheiden können, ob er selbst zu dieser Glaubensgemeinschaft gehören will. Ein Glaube, in den ich in aller Freiheit hineingewachsen bin, wird mich auch durch Phasen von Zweifel und Unglauben tragen, davon bin ich überzeugt… Andere finden durch eigenes Fragen und Forschen zum Glauben. Ich denke, das ist der schwerere Weg, aber mich ermutigt, wie viele Menschen ihn doch gehen.
Meine Lieben,
intensiver als in anderen Jahren hab ich heuer in der zurückliegenden Fastenzeit über meinen Glauben nachgedacht. Ich empfinde es als wunderbares Geschenk, dass ich von Kindesbeinen an in diesen Glauben hineinwachsen durfte. Meine Oma hat daran wohl einen ebenso großen Anteil, wie mein lieber Heimatpfarrer und meine Zeit als Ministrant. Es ist für mich ein wunderbares Geschenk an einen Gott glauben zu dürfen, der mich bedingungslos liebt, der mir in seinem Sohn Jesus gezeigt hat, wie grenzenlos diese Liebe zu mir und allen Menschen ist. Oft genug in dunklen Stunden und bei schweren Erfahrungen hat mich dieser Glaube getragen.
Die meisten von uns sind wohl mehr oder weniger so von klein auf in ihren Glauben und in unsere Kirche hineingewachsen.
Umso mehr hat es mich beeindruckt, dass ich heuer zwei junge Männer auf dem Weg zur Taufe in der Osternacht begleiten durfte. In einem Alter, in dem andere sich oft von unserer Kirche abwenden oder gar aus ihr austreten, haben die beiden sich bewusst für den Glauben in der Gemeinschaft unserer Kirche entschieden. Beide haben von jener Sehnsucht erzählt, die eingangs Margot Käßmann so wunderbar in Worte gefasst hat.
In den Gesprächen mit den beiden Taufbewerbern ist auch mir selber wieder neu bewusst geworden, was es für mich bedeutet, dass ich sagen kann: „Ich glaube!“
Ich glaube an einen Gott, in dem alles seinen Ursprung, hat, der mir zeigt, dass alles Leben einen tiefen und wunderbaren Sinn hat, auch wenn ich ihn nicht verstehen kann.
Ich glaube an einen Gott, der aus unbegreiflicher Liebe zu uns allen selber Mensch geworden ist, der ein Herz hatte für einfachen Menschen, für jene die Rand der Gesellschaft stehen, die seine Liebe am meisten brauchen.
Ich glaube an einen Gott, der auch die dunklen Seiten des menschlichen Lebens kennt, der in Jesus Christus auch Leiden, Schmerz und Tod in aller Brutalität erlitten hat.
Ich glaube an einen Gott, der mir zeigt, dass das Leben, das er uns aus Liebe geschenkt hat, stärker ist als der Tod, dass es für mich eine Hoffnung gibt, die weit über diese Welt hier hinausreicht, dass er selber mir noch im Tod liebevoll die Tür zur Ewigkeit öffnet.
Ich glaube an einen Gott, dessen Geist auch heute noch Dein und mein Herz bewegen will, der mich Herausfordert in den Fragen der Zeit, in den Ereignissen meines Lebens, der mich ruft, sein Wort und seine Liebe heute zu den Menschen zu tragen.
Das ist mein Glaube. Seinen Ursprung hat er in der unbegreiflichen Oster-Erfahrung, in der uns Jesus Leben verspricht, das kein Tod mehr nehmen kann.
Das ist mein Glaube, den ich an diesem Osterfest mit unzähligen anderen Menschen weltweit bekenne.
Das ist die wunderbare Hoffnung, die tiefe Geborgenheit, die liebevolle Einladung, die Gott mir schenkt – und ER will von mir nicht mehr als zwei kleine ehrliche Worte:
„Ich glaube!“
Amen. Halleluja.
Sehr geehrter Herr Witti,
gestern habe ich auf der Rückfahrt von Neresheim (ich bin dort Organist der Klosterkirche) und Stuttgart im Radio Ihre Predigt gehört. Leider reicht der Sender BR 1 nicht weit nach Württemberg. Ich habe nur den Anfang von „ich träume von einer Kirche“ hören können. Heute habe ich dank Internet die Predigt herunterladen und sie nochmals in aller Ruhe lesen können.
Von der Predigt in Neresheim weiß ich heute nichts mehr, von der Ihrigen kann ich mir vieles merken. Sie entspricht meinen Vorstellungen einer Predigt. Als Kirchenmusiker und Leiter eines Knabenchores habe ich viele Predigten angehört bzw. anhören müssen. Wenige davon sind mir in Erinnerung.
Ich möchte mich sehr herzlich bedanken, selten hat mich eine Predigt so angesprochen. Die Geschichte des kleinen Jungen hat mich als Musiker besonders angesprochen und berührt.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Mut, die viele Ihrer Kollegen nicht haben.
Immer wieder gibt es Hoffnungszeichen: neulich habe ich an einem Ort Orgelvertretung gemacht und war sehr erstaunt, als im Glaubensbekenntnis die Stelle „katholische Kirche“ die „christliche Kirche“ gesprochen wurde, was meiner Vorstellung von Ökumene sehr entsprochen hat.
Wenn viele Menschen – und nicht nur Pfarrer – so mutig wären wie Sie, könnte sich in der Kirche mit ihren Verkrustungen doch noch was ändern. Hoffen wir weiter!
Mit herzlichen Grüßen
Friedemann Keck
HMD em.