Meine Lieben,
später viel später blickte maria ratlos von den altären auf die sie gestellt worden war und sie glaubte an eine verwechslung als sie – die vielfache mutter – zur jungfrau hochgelobt wurde und sie bangte um ihren verstand als immer mehr leute auf die knie fielen vor ihr und angst zerpresste ihr herz je inniger sie – eine machtlose frau – angefleht wurde um hilfe und wunder am tiefsten verstörte sie aber der blasphemische kniefall von potentaten und schergen gegen die sie doch einst gesungen hatte voll hoffnung
Protestantisch-kritisch blickt hier der Schweizer Pfarrer und Poet Kurt Marti auf das, was die Verehrung der Jahrhunderte aus Maria, so wie die Bibel sie uns schildert, gemacht hat. Seine Zeilen erinnern mich an eine Begebenheit, die ich im letzten Jahr im Sommerurlaub in unserer Patengemeinde im Kaunertal erlebt habe. Ich hab im alten Widum der Kaltenbrunner Wallfahrtskirche gewohnt und eigentlich täglich in der Kirche die kleine Kapelle mit dem Gnadenbild besucht. Seit der Barockzeit ist dort die Figur Marias mit dem Jesuskind mit reich bestickten Gewändern bekleidet und beide sind mit übergroßen Kronen bekrönt. Ähnlich war auch das Feichtener Gnadenbild ja einst bekleidet. Vom ursprünglichen Gnadenbild sind dort in Tirol nur noch die beiden Gesichter zu sehen. Zum „Großen Frauentag“ am 15. August sollte die Figur mit dem noch reicher verzierten Festgewand bekleidet werden. Ich bat den Mesner mit Bescheid zu geben, wenn er die Marienfigur mit dem neuen Gewand bekleiden wollte. Ich kam in die kleine Kapelle und was dann geschah, hat mich sehr erstaunt und auch nachdenklich gemacht:
Als der Mesner der Figur das eine kostbare Gewand abgenommen hatte, um ihr dann das noch prächtigere Festgewand anzuziehen, sah ich für einen kurzen Augenblick Maria mit dem Kind, so wie einst der mittelalterliche Schnitzer sie wunderbar gestaltet hat. Die Figur war ohne die schweren Brokatstoffe und ohne die goldene Krone plötzlich sehr zierlich, sehr menschlich. Auch wurde die liebevolle Geste, mit der die Mutter den Betern das Kind zeigen will, erst dann sichtbar, als der üppige Schmuck jahrhundertealter Verehrung abgenommen war. Dieser „unverstellte“ Blick auf das Gnadenbild hat mich sehr berührt. Er hatte eine ganz eigene Botschaft für mich, denn, ähnlich wie im Gedicht von Kurt Marti war Maria nicht mehr überirdisch entrückt und verklärt, sondern sie begegnete mir plötzlich sehr menschlich, sehr direkt, sehr nahe und persönlich, bis sie dann wenig später in ein noch prächtigeres Gewand gekleidet war, das wieder nur in den Gesichtszügen die „eigentliche“ Maria dahinter erahnen ließ.
Meine Lieben,
gerade heute, am Hochfest „Maria Patrona Bavariae“ gibt mir diese Begebenheit aus dem letzten Sommerurlaub zu denken. Von Kindesbeinen an bin ich als Ministrant mit unserer sehr ausgeprägten bayerischen Marienfrömmigkeit aufgewachsen. Der Festgottesdienst am 1. Mai war immer ein großes Ereignis in meiner Heimat und die Maiandachten während des Monats waren es nicht weniger. Ich habe das immer gern gehabt und es hat mich und mein Bild von Maria auch geprägt.
Später dann, als im Studium die biblischen Texte kritisch durchleuchtet und im historischen Kontext betrachtet wurden, begegnete ich dann einer ganz anderen Maria. Sie erschien mir, wie das Gnadenbild von Kaltenbrunn, dem plötzlich der Mantel der historisch zugewachsenen Verehrung abgenommen wurde. Das hat für mich als Student damals einen harten Bruch bedeutet.
Erst nach und nach habe ich gelernt, den Wert von beiden „Marienbildern“ zu erfassen und für mich stimmig zusammenzubringen.
Basis ist für mich immer die biblische Maria, die einfache und doch so starke Frau, der Gott so vieles zugemutet hat, deren grenzenloses Gottvertrauen ihr aber auch den Mut gegeben hat für ihren Weg, der geradezu exemplarisch für die Einladung Gottes an jeden Menschen steht.
Diese biblische Maria fordert mich – mehr noch als alle überirdische Verklärung der Jahrhunderte – auf, dass auch ich diesem Gott bedingungslos vertrauen darf, auch wenn ich seine Wege mit mir oft nicht verstehe. Ich darf ihm – wie Maria – vertrauen, weil er mich kennt und grenzenlos liebt.
Ein Mensch, der das – wie Maria – im Leben erfährt, ein Mensch, der sich in den Höhen und Tiefen im Blick auf Maria auch selber von Gott geführt und getragen weiß, erfährt zuerst Kraft und Mut aus diesem Glauben, aber schließlich auch eine große Dankbarkeit.
Und weil wir Menschen ganzheitliche Wesen sind, wollen wir diese Dankbarkeit dann auch sichtbar ausdrücken. Hier hat dann jede Zeit ihre Formen Zeichen und Lieder gefunden. Manches mag uns heute überzogen oder gar kitschig vorkommen, aber es war immer getragen von dieser tiefen Dankbarkeit die Menschen im Leben erfahren haben.
Egal, ob ich mich heute in die biblischen Berichte über Maria in den Evangelien vertiefe, oder ob ich auf die üppige Dankbarkeit schaue, von der gerade auch die Wallfahrtsorte unserer Heimat reichlich Zeugnis geben, es geht immer nur um eines:
Wo kann ich spüren, dass GOTT mich ebenso erwählen und ansprechen will, wie einst Maria? Wo fühle und erlebe ich, was GOTT heute mit mir vorhat? Wo spüre ich den Mut und die Geborgenheit, die einst auch Maria geholfen haben, ihren Weg mit GOTT zu gehen?
Egal wer ich heute bin, was ich mit vorhabe und wie ich lebe, auch Dir und mir ruft Maria heute – wie einst den Dienern in Kana – mitten im Leben aufmunternd zu:
„Was ER euch sagt, das tut!“
Amen.