Am 8. Dezember 2017 wurde in Feichten die langjährige Mesnerin Cilli Jost zu Grabe getragen. Hier die Beerdigungspredigt von Pfarrer Michael Witti:
Meine Lieben,
„Da herinnen in der Kirche, das geht den Pfarrer nix an…“ – Ich weiß nicht mehr, was der Anlass für diese deutliche Ansage war, aber schon bald nachdem ich hierher nach Feichten gekommen bin, hat die Cilli das so klargestellt.
Ich musste sie aber erst näher kennenlernen, um das wirklich und richtig zu verstehen. Die Cilli hatte hier in unserer Kirche nicht nur einen „Job“, dem sie halt – bezahlterweise – nachgegangen ist. Die Cilli hat hier fast 40 Jahre lang keinen Beruf, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes – ihre Berufung gefunden. Kein Mensch kann heute auch nur ahnen, wie oft sie in all diesen Jahren tagaus tagein zu Fuß von der Siedlerstraße hierher und wieder zurückgegangen ist. Niemand kann sagen, wie viele Blumen sie in all den Jahren liebevoll in ihrem Garten gezogen hat, um sie dann hierher zu bringen. Keiner weiß, wie oft sie – auch während der immer wieder anstehenden Baumaßnahmen – hier stundenlang geputzt hat, damit zum Gottesdienst alles seine Ordnung hat. Man kann nur erahnen, wie oft sie bei Gewitter und Starkregen zum „Wetterläuten“ in die Kirche gelaufen ist. Ich kenne keine andere Gemeinde, in der dieses Sturmläuten als Aufruf zum Gebet noch gepflegt wird. Allein schon in Erinnerung an die Cilli werde ich es weiterhin tun, zumal der Automat und die Fernsteuerung, die sie nie gebraucht hatte, das Ganze heute viel einfacher machen.
Am 1. März 1974 hat die Cilli unter Pfarrer Hermann Wagner ihren Dienst als Mesnerin angetreten. Sie war die erste, die lang vor Beginn der Gottesdienste in der Kirche war. Und sie war die letzte, die erst ging, wenn alles perfekt getan war.
Wie sehr ihr diese Kirche hier am Herzen lag, hab ich nach und nach gespürt, vor allem dann, wenn sie Besuchern „ihre“ Kirche hier erklärt und nahegebracht hat. Hier hatte sie ein Auge für das wirklich Wesentliche, auch wenn ihr eigens Augenlicht ihr seit vielen Jahren zu schaffen machte.
Ebenso herzlich konnte sie aber auch zu denen sein, die ihr am Herz lagen. Ich werde nie vergessen, wie wir im Advent bei ihr in der Stube saßen, redeten, lachten und vor allem ihre wunderbaren Weihnachtsplätzchen probiert haben.
Ich weiß noch gut, jenen Sonntag vor Fronleichnam 2013. Es war der 26. Mai. Alle hier waren schon ganz aufgeregt, weil tags darauf das Fernsehen mit den Aufbauarbeiten für die große Live-Übertragung beginnen sollte. Nur die Cilli, sie war wie immer. Zumindest auf den ersten Blick, bis wir bemerkt hatten, dass sie uns kaum mehr sehen konnte. Sie wollte sich nichts anmerken lassen, tat ihren Dienst aus jahrelanger Gewohnheit zielsicher, auch wenn sie weder uns, noch die Kirche sehen konnte. Nach und nach rückte sie damit heraus, dass es ihr schon seit zwei Tage so gehe. Es war nicht einfach, sie dann – mit Eurer Hilfe – in eine Klinik zu bringen. So endete ihr treuer Dienst hier. So schaffte sie die 40 Jahre als Mesnerin leider nicht mehr.
Ich glaube, so ähnlich wie ich, durften alle hier unsere Cilli kennenlernen. Vor allem auch Ihr in der Familie.
Geboren wurde sie am 16. Mai 1934 in Schachen. Mit Euch Geschwistern ist sie dort aufgewachsen. Nach der Schulzeit hier in Feichten besuchte sie die Haushaltsschule in Indersdorf.
In den Jahren danach hat sie ihren Alois kennen- und lieben gelernt. Am 15. Oktober 1959 haben die beiden geheiratet. Euch Kindern Cäcilia und Gerhard hat sie das Leben geschenkt. Und sie hat Euch beiden in ihrer unverkennbaren Art auch viel ins Leben hinein mitgegeben.
Ich glaube, wir werden heute noch lang über diesen Gottesdienst hinaus viele Erinnerungen und Anekdoten austauschen.
Meine Lieben,
am allermeisten hat mich die Cilli aber heuer im Juli beeindruckt. Ich hab sie abends im Krankenhaus besucht. Ihr Augenlicht war fast völlig erloschen, aber sie hat mich sofort erkannt. Gefreut hat sie sich, auch wenn sie meinte, dass das ja gar nicht nötig sei, dass man extra wegen ihr nach Trostberg fährt. So war sie, die Cilli. Ganz ruhig hat sie mir dann erzählt, warum sie im Krankenhaus war. Man habe Krebs bei ihr festgestellt. Eine Operation sollte es nicht mehr geben. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie mir ganz ruhig sagt, dass sie in den nächsten Tagen schon sterben könnte, wenn die Medikamente nicht helfen würden. Ansonsten, meinte sie, habe sie halt noch ein paar Monate. Wir schwiegen dann beide eine Zeitlang.
Schließlich sagte die Cilli einfach nur: „Ich bin bereit, wenn der Herrgott es will.“ Und dann hat sie das auch ganz nüchtern begründet. „Ich hatte ein schönes Leben. Bin so alt geworden, wie es viele andere gar nicht werden. Ich sehe jetzt nichts mehr. Kann wohl nicht mehr daheim alleine leben. Da ist es gut so…“ Eine Urnenbestattung möchte sie, hat sie mir noch gemeint. „…weil das ist einfacher so…“
Und noch einmal sagte sie ganz ruhig und klar: „Ich bin bereit, wenn der Herrgott es will…“
So war sie, die Cilli. So wird sie mir und vielen vielen anderen in lieber Erinnerung bleiben. Ich weiß heute, dass der Herrgott, für die sie in den letzten Monaten schon so bereit war, jetzt zu ihr das sagt, was wir im Evangelium gehört haben:
„Cilli, komm jetzt zu mir. Du hast dich geplagt für meine Kirche und manche Lasten zu tragen gehabt. Ich werde dir jetzt die wohlverdiente Ruhe verschaffen.“
Amen.
(Text: Witti/Bilder: Limmer)