Meine Lieben,
„Kann ich das schaffen?“ – Wenn eine große Portion Essen vor mir steht und ich entsprechend Appetit habe, dann sag ich da wohl eher ja, als wenn es um eine große Bergtour oder eine ähnliche sportliche Herausforderung geht. Ich weiß an sich ganz gut, was ich mir zutrauen kann, wofür meine Kräfte und Fähigkeiten reichen. Und ich weiß auch, wovon ich besser die Finger lassen sollte, weil ich dafür vom lieben Gott offenbar nicht geschaffen wurde.
„Kann ich das schaffen?“ – Welche Situationen fallen Ihnen ein, in denen Sie sich diese Frage gestellt haben? Ich weiß, dass manchem Bräutigam schon im Blick auf den Hochzeitwalzer diese Frage auf den Lippen lag, während Schweißperlen die Stirn zierten. Aber es gibt auch sehr ernsthafte Situationen, in denen diese Frage geradezu existentiell wird.
Ich denke da, an viele unserer Schulabgänger, die in diesen Tagen eine Lehre oder in wenigen Wochen ein Studium beginnen. Mir kommen Menschen in den Sinn, die nach Jahren eine neue berufliche Herausforderung suchen, oder gar den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Ich denke aber auch an viele junge Leute hier aus unseren Gemeinden, die sich sehr ernsthaft überlegen, mit wem sie gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen wollen.
„Kann ich das schaffen?“ – Sehr intensiv hat mich diese Frage damals vor der Diakonenweihe beschäftigt. „Kann und will ich diesen Weg mit Christus und seiner Kirche gehen? Will ich mein ganzes Leben darauf bauen?“ Damals hab ich auf die Einladung zur Diakonenweihe sehr bewusst einen Liedtext drucken lassen. Er begann so:
Ich steh am Anfang eines Weges, seh nicht sein Ende, nicht sein Ziel. Ich sehe Kurven sehe Schranken und Hindernisse gibt es viel. Die einen sagen: Du musst wagen, die andern: das wird mir zu viel. Doch was sie mir auch immer sagen, ich gehe fort in Richtung Ziel: Ich werd es einfach mal versuchen, wenn es auch nicht so einfach geht. Ich werd es einfach mal versuchen, auch wenn man mich nicht recht versteht.
Für mich drückt dieses Lied einerseits aus, dass es vor großen Herausforderungen auch Fragen und Zweifel gibt. Das ist ganz menschlich so. Aber es zeigt mir eben auch, dass es nichts bringt, wenn dieser Zweifel die Oberhand und das letzte Wort behält. Ich glaube, das möchte auch Jesus im heutigen Evangelium deutlich machen. Er setzt die Messlatte für jene, die ihm nachfolgen wollen, sehr hoch an. Für viele mag das auf den ersten Blick geradezu unmenschlich weil unerreichbar erscheinen. Er verspricht auch nichts, wofür sich vordergründig dieser Aufwand lohnen würde: kein dickes Gehalt, kein Ehrentitel, keine angesehene Stellung oder gar Karriere in der Welt. Nur das Kreuz, das verspricht er denen, die sich auf ihn einlassen.
Meine Lieben,
ich weiß nicht, ob ich damals den Schritt gewagt hätte, wenn ich nur diese Seite des Evangeliums gekannt hätte. Im Kontext der übrigen Worte und Taten Jesu ist dieses heutige Stelle von der Nachvolle für mich sicherlich eine Mahnung: Sei dir dessen bewusst, worauf du dich einlässt, wenn du deinen Weg mit mir gehen willst. Dieses Wort gilt jedem Menschen, der sich in Taufe und Firmung auf diesen Weg Jesu einlassen will. Dieses Wort gilt allen Eltern, die ein Kind zur Taufe bringen, die ja in erster Linie nicht eine traute Familienfeier, sondern die Aufnahme in diese weltumspannende Kirche ist, die Jesus nachfolgen will. Jeder, der sich darauf einlässt, weiß, dass man das ein Leben lang nicht aus eigener Kraft heraus schaffen kann. Bei meiner Weihe wurde mir deshalb damals vom Bischof zugesagt:
„Gott selber vollende das gute Werk, das er mit dir begonnen hat.“
Mit IHM an der Seite konnte ich in den Jahren schon manches schaffen, mit dem ich alleine hoffnungslos überfordert gewesen wäre. Mit IHM an der Seite und mit vielen Menschen, die ich bewusst „Schwestern und Brüder“ nennen darf, kann ich mich auf das Abenteuer Jesu einlassen, kann ich immer mehr verstehen, was es hier und heute heißt, ein Christ zu sein. Ein Gebet junger Christen beschreibt es eindrucksvoll so:
Ein Christ ist einer,
für den Jesus Christus entscheidend ist. Ein Christ ist einer, der sich lieben lässt und liebt. Ein Christ ist einer, der feiern kann. Ein Christ ist einer, der sich herausfordern lässt. Ein Christ ist einer, der in Gemeinschaft glaubt. Ein Christ ist einer, der solidarisch ist mit allen Menschen. Ein Christ ist einer, der glaubt, dass Gott immer größer ist. Ein Christ ist einer, der weiß: Ich fange nur an. Ein Christ ist einer, der das Ganze sieht.1
Amen.
1Aus: Bruno Griemens, online to he@ven. Jugendgebete. Butzon & Bercker Verlag / Verlag Haus Altenberg 2009.
(Foto: Limmer)