Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis 2016 – Lesejahr C
Meine Lieben,
die Fußball-EM ist voll im Gange! Unser Pater Nelson ist Feuer und Flamme dafür, ich versuch mich wenigstens halbwegs auf dem Laufenden zu halten. Was meinen Sie, ist Jesus auch ein Fußballfan? – Ich weiß es nicht. Aber ich hab über einen lieben Kollegen aus der Jugendseelsorge im Bistum Dresden-Meißen folgende Geschichte von Anthony de Mello bekommen:
„Jesus Christus sagte, er sei noch nie bei einem Fußballmatch gewesen. Also nahmen meine Freunde und ich ihn zu einem Spiel mit. Es war eine wilde Schlacht zwischen den protestantischen Boxern und den katholischen Kreuzfahrern. Die Kreuzritter erzielten das erste Tor. Jesus schrie laut Beifall und warf seinen Hut in die Luft. Dann waren die Boxer vorne. Und Jesus spendete wild Beifall und warf seinen Hut in die Luft. Das schien den Mann hinter uns zu verwirren. Er klopfte Jesus auf die Schulter und fragte: »Für welche Partei brüllen Sie, guter Mann?« »Ich«, erwiderte Jesus, den mittlerweile das Spiel sichtlich aufregte, »oh, ich brülle für keine Partei. Ich bin bloß hier, um das Spiel zu genießen.« Der Fragende wandte sich seinem Nachbarn zu und feixte. »Hm, ein Atheist!« Auf dem Rückweg klärten wir Jesus über die Lage der Religionen in der heutigen Welt auf. »Fromme Leute sind ein komisches Volk, Herr«, sagten wir, »sie scheinen immer zu denken, Gott sei auf ihrer Seite und gegen die Leute von der anderen Partei.« Jesus stimmte zu. »Deswegen setze ich nie auf Religionen, ich setze auf Menschen«, sagte er. »Menschen sind wichtiger als der Sabbat.« »Du solltest deine Worte wägen«, sagte einer von uns etwas besorgt. »Du bist schon mal wegen einer solchen Sache gekreuzigt worden.« – »Ja – und von religiösen Leuten«, sagte Jesus mit gequältem Lächeln.“
Meine Lieben,
am 1. Juli werden es 16 Jahre, dass ich in Passau zum Priester geweiht wurde. Ein „Religiöser von Berufs wegen“ bin ich damit in den Augen der Leute. Wenn ich nun höre, was Jesus bei dem fiktiven Fußballspiel so von den ach so Religiösen hält, die viel zu oft vergessen, auch einfach nur „Mensch“ zu sein, dann macht mich das ebenso nachdenklich, wie das heutige Evangelium. Nicht die prächtigen Kirchen, nicht die bunten Messgewänder und nicht die duftenden Weihrauchschwaden, die mir durchaus schon als Ministrant gefallen haben, sollen im Mittelpunkt stehen. Jesus will Menschen, keine oft allzu schnell schon unmenschlichen „Religionsfunktionäre“, wie es Papst Franziskus einmal nannte. Zu Menschen, wie Dir und mir, sagt Jesus auch heute noch: „Komm, folge mir nach!“
Im Evangelium aber wurden jene, die ihm folgen wollten, mit harten Worten konfrontiert. „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst“, sagt da einer voller Begeisterung. Jesus aber meinte nur klipp und klar: Er selber habe keine Ort, wo er wirklich ankommen und zur Ruhe kommen könne. Vom nächsten fordert er voller Radikalität, alles stehen und liegen zu lassen: „Lass die Toten ihre Toten begraben.“ Und dem, der nur noch von den Seinen Abschied nehmen will, schleudert er entgegen: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt taugt für das Reich Gottes.“
Das ist hart, vielleicht zu hart. Wen wundert es da, dass sich immer weniger für diesen Weg der Jesus-Nachfolge entscheiden? Wen wundert es da, dass für unserem Bistum heuer kein Neupriester geweiht wird? Dennoch bleibt für mich eine letztlich nicht erklärbare Faszination: Dieser Jesus im heutigen Evangelium ist anders. Er ist nicht vorschnell mit sich und der Welt fertig. Er richtet es sich nicht in dem einmal Erreichten bequem ein, sondern bleibt auf dem Weg, sucht die Herausforderung. Er zeigt mir radikal, dass es nicht genügt, sich auf dem einmal erreichen, auf dem vermeintlich Althergebrachten, einfach auszuruhen.
Wenn die Toten ihre Toten begraben sollen, heißt das doch nichts anderes als: Sei radikal offen für das LEBEN hier und heute und stelle dich ihm! Das gleiche gilt für den, der noch Abschied nehmen will. Hier soll mir bewusst werden, dass ich als Christ nicht in der Vergangenheit lebe. Wir sind kein Verein zur Brauchtumspflege! Es geht vielmehr um das, was HEUTE ansteht, was das Leben hier und jetzt von mir fordert. Diese radikale Gegenwartsbezogenheit war bei Jesus die Quelle seiner tiefen Menschlichkeit, Er sah, was um ihn herum geschah, was Gott und die Menschen von ihm heute wollten und brauchten.
Meine Lieben,
Jesus sucht Menschen, keine „Über-Menschen“. Ich weiß nicht, ob Jesus Fußball-Fan ist. Aber ich weiß, dass er Menschen sucht, die sich für seine Sache ähnlich begeistern können, wie es zigtausende im besten Sinne derzeit im Blick auf Runde tun, das ins Eckige muss. Echte Offenheit für Gott mitten im Leben und echte Leidenschaft, ich glaube, das reicht schon, wenn Gott einen Menschen ruft. Mehr braucht es gar nicht, denn wenn Dich Gott ruft, dann gilt das, was mir vor 16 Jahren bei meiner Priesterweihe zugesagt wurde:
„Gott selber vollende das Gute Werk, der er in dir begonnen hat.“
Amen.
(Text: Witti/Foto: Limmer)