Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis 2014 – Lesejahr A (Pfr. Michael Witti)
„Ist Frieden möglich?“ – 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 100 Jahre nach dem Beginn dieser „Ur-Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts, 100 Jahre nach Wahnsinn dieser grausamen und letztlich sinnlosen Menschenschlächterei ist diese Frage wieder erschreckend aktuell: „Ist Frieden möglich?“
Die Kriegs- und Krisenherde scheinen in diesen Tagen kein Ende zu nehmen:
- In der Ukraine fällt es zunehmend schwer, auch nur einem angekündigten Waffenstillstand zu vertrauen, geschweige denn auf Frieden zu hoffen. Die Hintermänner, die den Konflikt schüren, verschanzen sich hinter biederen Fassaden. Gewalt und der Bruch des Völkerrechts wird – wieder einmal – zum politischen Mittel. Die NATO findet immer schärfere Worte. Der „Eiserne Vorhang“ und der „Kalte Krieg“ scheinen zurückzukehren. Die Zeche aus Tod und Zerstörung zahlen – wie immer – zigfach jene, die am wenigsten dafür können.
- Gleiches gilt für den Terror der islamistischen IS-Milizen in Syrien und im Irak. Mit unvorstellbarer Grausamkeit metzeln fanatische Gotteskrieger unsere christlichen Schwestern und Brüder – Männer, Frauen und Kinder – nieder, ebenso die religiöse Minderheit der Jesiden. Aber sie terrorisieren genauso jene, die eigentlich ihre Glaubensbrüder wären. Moscheen werden ebenso gesprengt und muslimische Gemeinden, die dem Terror nicht folgen, werden zerschlagen und zerstört. Es sind Verbrechen an jeder zivilisierten Form des Rechts, Verbrechen an der Menschlichkeit, Verbrechen an Gott selber, mit dem diese Schlächter ihr gottloses Tun auch noch rechtfertigen wollen. Frieden wird erstickt unter Blut und Tränen.
- Fast schon zur Nebensache wird hier der Bürgerkrieg in Syrien, der trotz Waffenstillstand schwelende Konflikt in Palästina, die andauernde Problematik in Nordkorea, an die Papst Franziskus kürzlich bei seinem Besuch in der Region erinnert hat, die vielen Konflikte in Afrika, die Gewalt in Lateinamerika und in viel zu vielen anderen Teilen dieser geschundenen Welt.
„Ist Frieden möglich?“ Ich kann es verstehen, wenn manche diese Frage kaum mehr zu stellen wagen. Welchen Weg könnte es geben, der hier zum Frieden führen kann? Wie schwierig das meist ist, zeigen ja schon viele kleinere Konflikte und Streitigkeiten, wie wir sie selbst immer wieder erleben, in der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder sonst wo. Wie schwer ist doch meist schon beim Streit mit Worten einen Ausstieg zu finden aus der verhängnisvollen Spirale von Verletzungen, Beleidigungen und Demütigungen? Wie schwer fällt oft schon hier wahre Versöhnung oder echter Neuanfang?
Meine Lieben,
der Weg, den uns Jesus heute im Evangelium vorschlägt, scheint naiv zu sein. Aber letztlich ist er wohl der einzige, der in der Sehnsucht nach Frieden Aussicht auf wirklichen Erfolg hat, zumindest wenn Frieden mehr sein soll, als nur das momentane Schweigen der Waffen, als nur eine temporäre Unterbrechung der Gewalt. Jesus verweist auf den Weg des DIALOGS.
Dass dieser Weg mehr Mut und mehr Kraft verlangt, als der Weg der Vergeltung und Gewalt, das weiß jede und jeder hier wohl schon anhand der kleinen und alltäglichen Konflikte und Streitereien. Aber dieser Weg Jesu, den er stufenweise vorschlägt, ist derzeit wohl der einzige, der Aussicht auf dauerhaften Erfolg hat:
- Zuerst empfiehlt Jesus das Vier-Augen-Gespräch. Im vertrauten und diskreten Dialog ist es oft noch am einfachsten, die Dinge zu ändern, ohne dass eine Seite dabei ihr Gesicht verlieren muss. International ist das momentan der Weg der stillen Diplomatie, die derzeit der Vatikan ebenso intensiv pflegt, wie die Bundesrepublik und viele andere Staaten, die eine weitere Eskalation verhindern wollen.
- Reicht das alleine noch nicht, muss immer noch kein großer offener Konflikt entstehen. Jesus rät den Kreis behutsam zu erweitern, weitere Berater wohlmeinend hinzuzuziehen. Sie können vielleicht Wege aufzeigen, die die ursprünglichen Konfliktparteien in ihrem Streit alleine so nicht gesehen hätten. Die Politik und auch die Vertreter der Religionsgemeinschaften versuchen das derzeit in den vielen Konferenzen und multilateralen Gesprächen.
- Erst wenn all das scheitert, ist für Jesus dann ein Bruch möglich. Aber auch der ist noch kein Aufruf zu Gewalt und Terror. Eher die klare Abgrenzung, die trotzdem im andern noch den Menschen sieht, auch wenn ich dessen Weg nicht mehr verstehen kann. Gewalt und Verachtung haben auch hier noch keinen Platz. – Wie gerade dieser letzte Schritt im Blick auf den Terror der IS-Milizen aussehen kann, weiß ich nicht. Ich weiß nur dass Kreuzzüge und Heilige Kriege niemals Wege in eine gute und menschenwürdige Zukunft waren. Hier scheint – neben aller Politik – zuerst einmal der intensive Dialog der Religionen und Kulturen ein wichtiger Schritt zu sein.
Meine Lieben,
ich habe keine Musterlösung für die großen und kleinen Konflikte dieser Welt. Aber ich habe das Wort von einem, der den Weg der Gewaltlosigkeit selber gegangen ist, bis zum grausamen Tod am Kreuz. Und ER hat diese Welt damit mehr verändert, als alle anderen Regenten, Machthaber und Despoten vor und nach ihm.
Amen.
(Foto: Pfarrbriefservice.de)