Meine Lieben,
warum sind wir heute eigentlich hier? Haben wir heute Morgen wirklich nichts Besseres zu tun, als sich hier in der Kirche herumzusitzen? So kann unsereins schon mal provokant gefragt werden, sei es vom aufmüpfigen Familiennachwuchs, sei es von kritischen Nachbarn, Kollegen, oder von sonst jemandem. Was soll man darauf nun sagen? Die Antworten könnten wohl ganz verschieden ausfallen. Von einem fast zornigen „Ich weiß halt noch, was sich gehört!“, über ein eher pragmatisches „Das war schon immer so!“, bis hin zu ratlosem Schweigen. Was tun wir wirklich, wenn wir heute hier GOTTESDIENST feiern?
Schon der Name diese Feier kann ja Verwirrung stiften: „Gottes-Dienst“ – Wer dient denn da wem? Ist Gott darauf angewiesen dass wir armselige Kreaturen ihm dienen? Aber was wäre denn das für ein Gott, der auf unsere Dienste angewiesen wäre?
Schon das Alte Testament will mit solch fatalen Gottesvorstellungen Schluss machen, wenn es etwa in Psalm 50 Gott selber spricht: „Höre, mein Volk, ich rede. Israel, ich klage dich an, ich, der ich dein Gott bin. Nicht wegen deiner Opfer rüg‘ ich dich, deine Brandopfer sind mir immer vor Augen. Doch nehme ich von dir Stiere nicht an noch Böcke aus deinen Hürden. Denn mir gehört alles Getier des Waldes, das Wild auf den Bergen zu Tausenden. … Hätte ich Hunger, ich brauchte es dir nicht zu sagen…“
Um wirklich zu verstehen, was „Gottesdienst“ ist und will, ist es hilfreich den ursprünglichen griechischen Ausdruck dafür zu betrachten: „Leiturgia“ (= Liturgie). Das wiederum stammt von den zwei Begriffen ab: léitos = zum Volk + ergon = Werk – Liturgie ist demnach „Volkswerk“, d.h. der zum Wohl des Volkes geleistete Dienst, gewissermaßen ein „Dienst am Volk“. Nicht wir sind also hier um für Gott einen Dienst zu tun; ER ist hier um uns zu dienen. ER ist kein herrschsüchtiger Despot, der uns zusammentrommelt um sein Recht einzufordern. Gott ist vielmehr ein leidenschaftlich Liebender, der fast zärtlich um uns werben will. ER will uns für unser tägliches Leben seinen Liebesdienst erweisen, indem er uns sein Wort und seine stärkende Nähe schenkt.
Der Täufer Johannes hat im Evangelium bekannt: „Auch ich kannte ihn nicht…“, aber er hat dennoch Gottes Ruf gehört und mit seinem ganzen Leben leidenschaftlich auf diesen Ruf Gottes geantwortet. Genau dieses Spiel von Ruf Gottes und Antwort des Menschen erleben wir hier jedes Mal zeichenhaft im Gottesdienst: Wir hören Gottes Wort in der ersten Lesung, die thematisch meist dem Evangelium zugeordnet ist. Doch das hören alleine genügt nicht, um es aufzunehmen. Daher will uns der Antwortpsalm, den der/die KantorIn vorträgt, einladen das Thema der ersten Lesung nochmals meditierend zu vertiefen. Unsere gesungenen Rufe sind ein erster zaghafter Antwortversuch auf Gottes werbendes Wort. Dem schließt sich die zweite Lesung aus dem neuen Testament an, in der fortlaufend Sonntag für Sonntag einzelne Briefe oder Bücher vorgetragen werden. Nach der zweiten Lesung dann fordert uns der/die KantorIn im Halleluja auf, uns singend aufzumachen, aufzustehen und uns auch innerlich aufzutun für das Evangelium, in dem Jesus seine Frohe Botschaft direkt in unser Leben hineinspricht. In der Predigt wird dann das gehörte Gotteswort in unser alltägliches Leben hineingetragen und wir alle antworten darauf, indem wir uns zu diesem Glauben bekennt und dann unsere aktuellen Bitten und Anliegen vor Gott hintragen, bevor wir das Mahl der Versöhnung und des Lebens feiert.
Meine Lieben,
spüren sie, welch lebendiger Dialog Gottesdienst sein will? Wie Gott uns in dieser Feier geradezu umwirbt, um uns eine Antwort auf seine Frohbotschaft zu entlocken. Das ist Gottesdienst, der Dienst Gottes an unserem Leben.
Einige hier erinnern sich sicherlich noch an die alte Liturgie vor dem Konzil. Damals zählte alleine das, was der Priester – meist still – in den Altar hineinmurmelte. Das Volk hatte stumm zu sein, konnte bestenfalls still und andächtig beten, meist ohne zu verstehen, worum es wirklich ging. Selbst die festliche Kirchenmusik war – liturgisch betrachtet – nicht mehr wert, als die Blumenvase die am Altar stand. Sie sollte nur der frommen Erbauung des Volkes dienen; wirklicher Bestandteil der Liturgie war sie nicht.
Umso kostbarer war die Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils, das uns die ursprüngliche Bedeutung und Lebendigkeit der gottesdienstlichen Feiern wieder erschließen wollte. Und nicht minder kostbar sind hier für uns die vielen Männer und Frauen, die in den verschiedensten Diensten, als Lektoren, Kantoren, Kommunionhelfer, Ministranten, Musiker, Chöre uvm. dazu beitragen, dass diese Lebendigkeit erlebbar wird. So kann man spüren, dass nicht mehr der Priester die „Messe liest“ Wie alle feiern im Zusammenspiel der vielen Dienste gemeinsam die „Große Danksagung für den wunderbaren Dienst, den Gott Dir und mir für unser Leben erweist!
Amen.
(Text/Foto: Witti)