Predigt zum Dreifaltigkeitsfest 2015 – Pfr. M. Witti
Meine Lieben,
„Musst du denn immer das letzte Wort haben?“ – Egal ob zwischen Freunden, Eheleuten oder Eltern und Kindern, wer das sagt ist einfach nur genervt. Wenn ein anderer in seiner Rechthaberei immer noch eins draufsetzen will, wenn man nicht gelten und stehenlassen, oder nicht einmal wirklich hören will, was ich eigentlich zu sagen habe, dann ist dieser Satz oft die letztmögliche Äußerung, bevor ein anderer mich zur Weißglut treibt: „Musst du denn immer das letzte Wort haben?“
Umgekehrt mache ich aber auch die Erfahrung, dass tatsächliche „letzte Worte“ etwas ungemein kostbares sein können. Bei vielen Gesprächen mit Hinterbliebenen, die einen lieben Menschen verloren haben, merke ich, dass „letzte Worte“ oft ein kostbares Vermächtnis, ein Schatz für das ganze weitere Leben sein können. In diesem kostbaren Sinne möchte ich auch das letzte Wort Jesu verstehen, das er heute im Evangelium noch kurz vor seiner Heimkehr zum Vater den Jüngern mitgibt:
„Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Dieses „letzte Wort“ Jesu beinhaltet alles. Es ist sein Vermächtnis an seine Jünger und an alle, die ihm bis heute nachfolgen. Jesus sagt und hier klar, wo unsere Prioritäten auch als Kirche und Pfarrgemeinde liegen müssen, wenn wir ihm wirklich nachfolgen wollen:
Zu allen Völkern, zu allen Menschen sollen wir gehen. Er schickt uns also nicht nur zu denen, deren Nase uns gefällt, die uns sympathisch sind, die genauso denken, leben und handeln, wie wir selber es tun. Nein, Jesus schickt uns bewusst zu ALLEN Menschen aus ALLEN Völkern. Keine Unwürdigen, keine Außenseiter und keine Unberührbaren soll es mehr geben für die, die im Namen Jesu leben wollen. Allen Menschen, egal wie fremd uns ihr Leben und ihre Gedanken auch erscheinen mögen, alle Menschen sollen uns Schwestern und Brüder sein.
Ihnen sollen wir Jesu Botschaft bringen, um sie dann vielleicht auch für die Taufe auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist gewinnen zu können. Wir sollen also mit den Menschen staunen über die Wunder der Schöpfung, die uns den guten Schöpfergott, der dahinter steht, erahnen lassen. Wir sollen an der Person, an der Menschlichkeit, ja, an der Barmherzigkeit Jesu Maß nehmen, bevor wir über andere urteilen, bevor wir unbedacht – auch aus vermeintlich christlichem Eifer heraus – handeln. Und wir sollen mit den Menschen und mitten unter ihnen, mitten im alltäglichen Leben, spüren, wie Gottes Geist uns auch heute noch antreibt, wie er in der Welt wirkt, vielleicht sogar in und durch Menschen, bei denen wir das nie erwartet hätten.
Das ist der große und großartige Auftrag, der für mich in Jesu „letzten Worten“ aufleuchtet. Das ist der dreifaltige Gott, den die Kirche, den wir hier als Christinnen und Christen in unserer Pfarrgemeinde den Menschen mitten im Leben respektvoll und auf Augenhöhe nahebringen sollen.
Nirgends steht da etwas von dauerhaft erhobenen Zeigefingern geschrieben und Jesus sagt auch nicht, dass wir sein Wort besserwisserisch und oben herab präsentieren sollen. Aber genau so empfinden viele Zeitgenossen unsere Kirche oft. Gerade MenDenschen, die unserer Kirche fernstehen, die vielleicht nie die Geborgenheit und das Getragen-Sein in einer Gemeinde erlebt haben, fühlen sich oft gegängelt, ständig von oben herab korrigiert, oder in ihrem Leben nicht ernst genommen. Sie erleben Kirche als eine Institution, die nichts mit ihrem konkreten Leben zu tun hat, die vielleicht gar nicht bereit ist, sich auf sie einzulassen, die aber genau zu wissen vorgibt, was die Menschen denn zu tun und zu lassen haben. Die anhaltende Zahl der Kirchenaustritte, auch in unserem Pfarrverband hier, ist oft das Resultat solcher Erfahrungen. Oder besser gesagt: Das Resultat einer Kirche, deren Barmherzigkeit und Menschlichkeit im Sinne Jesu auf Augenhöhe nie erfahren werden konnte.
Meine Lieben,
zu schnell möchte man jetzt wohl sagen: „Die da oben sind schuld! Die müssen alles anders machen!“ – Das mag bei manchen Dingen vielleicht verständlich sein, oder auch zutreffen, das allein wäre aber viel zu kurz gegriffen. Jesus spricht in seinen letzten Worten ja nicht sein ausgewähltes hauptamtliches Bodenpersonal an. Er spricht zu jedem und jeder von uns, die wir auf den dreifaltigen Gott getauft sind.
Wir alle sind – heute vielleicht mehr denn je – gerufen, Zeuginnen und Zeugen Gottes mitten im Leben zu sein. Ich muss dabei nicht alles und jeden kommentieren und überall meinen ach so schlauen Senf dazu geben. Vielmehr gilt es, den guten Schöpergott, die in Jesus Mensch gewordene Liebe Gottes und den Geist, der auch heute noch Menschen im Guten antreibt, in der Welt von heute spürbar zu machen. – Aber bitte getreu dem Vorbild Jesu, denn sonst könnten die Menschen auch heute genervt zur Kirche, zu Dir und zu mir sagen: „Musst du denn wirklich immer das letzte Wort haben?“
Amen.