Meine Lieben,
Weihnachten ist vorbei, Die Könige sind heimgezogen, Herodes ist gestorben, die Hirten kennen die Ereignisse nur mehr von den Erzählungen der Alten, Maria und Josef haben sich mittlerweile in Nazareth niedergelassen und führen dort ein rechtschaffenes Leben. Vom Kind heißt es: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“
Das Kind wird zum Mann. Jesus steht am Beginn seines öffentlichen Wirkens und geht hinaus an den Jordan, um mit vielen anderen die Bußtaufe des Johannes zu empfangen.
Er steht in einer Reihe mit den Leuten aus Jerusalem, Judäa und der ganzen Jordangegend. Und die Leute dort hören von Johannes wenig schmeichelhaftes. Umkehren sollen sie, neu anfangen. Die Taufe ist nur ein äußeres Zeichen für das, was innerlich geschehen muss.
Als dann Jesus an der Reihe ist, erkennt der Täufer Johannes wer das ist. Er will Jesus nicht taufen: „Du bist doch der einzige hier, der Umkehr nicht nötig hat. In dir lebt doch Gott.“ Und da spricht Jesus ein vielleicht schwer verständliches, aber doch entscheidendes Wort: „…nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen.“
Was ist denn das für ein Gott, der so etwas um der Gerechtigkeit willen verlangt? Will dieser Gott, dass alle sich klein und schuldig fühlen, damit er selber groß dasteht?
Wir heutigen verstehen diesen biblischen Begriff von der „Gerechtigkeit“ oft falsch. Es geht hier nicht um eine „juristische gesetzesgemäße Gerechtigkeit“, die eingefordert wird.
Es ist eher so, wie es in den weihnachtlichen Evangelien von Josef gehört haben. Auch er wird da „gerecht“ genannt, obwohl er eigentlich streng genommen völlig gegen das Gesetz gehandelt hat. Als Maria ein Kind erwartete, das eindeutig nicht von ihm war, hätte Josef sie nach dem Gesetz verstoßen und zur tödlichen Steinigung freigeben können. Josef handelte gegen dieses Gesetz, wollte sich in aller Stille trennen und damit alles auf sich nehmen. Er wäre dann der Schuldige, der die Frau mit dem Kind sitzenlässt. Josef handelte gegen ein unmenschliches Gesetz und gerade deshalb wird er in der Bibel „gerecht“ genannt.
„Gerechtigkeit“ im biblischen Sinne ist also nicht einfach die hirnlose äußere Erfüllung aller möglichen Gebote und Gesetze. In der Ersten Lesung war ja auch vom „Knecht Gottes“ die Rede, der den Völkern das Recht bringt – und das schaut ganz anders aus, als wir uns das oft denken: das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus, blinde Augen öffnet er, Gefangene holt er aus dem Kerker, alle, die im Dunkeln sitzen, befreit er aus ihrer Haft. Und das alles geschieht leise, oft verborgen.
Meine Lieben,
dort am Ufer des Jordan steht Jesus in einer Reihe mit allen Menschen, mit den Sündern ebenso, wie mit jenen, die sich selber für gerecht und gut halten.
Jesus ist für jeden von uns gekommen, nicht aus Gesetzesgehorsam, sondern aus Liebe zu Gott, seinem Vater, und zu uns, um uns heil zu machen. Wir müssen nichts leisten, um dieses Geschenk der Liebe Gottes, die Erlösung, zu erhalten, aber wir sind eingeladen, aus diesem Geliebtsein heraus anders zu leben. Wir sollen selber solche „gerechten“ und guten Menschen werden, die andere spüren lassen, wie Gott zu uns ist und wie er will, dass wir zueinander sind. Das geht nicht durch erhobene Zeigefinger und den toten Gesetzesgehorsam, den schon ein Paulus ablehnt.
Weil Gott uns in Jesus liebevoll und barmherzig, gütig und geduldig begegnet ist, dürfen auch wir anfangen, den Menschen um uns herum in dieser Haltung zu begegnen. Und wenn es uns das eine oder andere Mal nicht gelingt, dann macht das auch nichts. Dann dürfen auch wir zu Jesus gehen, unsere Fehler seiner Barmherzigkeit anvertrauen und das tun, wozu schon der Täufer Johannes seinerzeit die Menschen aufgerufen hat:
In Gottes Namen immer wieder im Guten neu beginnen!
Amen.