Predigt von Pfr. Michael Witti zum Hochfest der „Aufnahme Marias in den Himmel“ am 15. August 2014 in der Wallfahrtskirche Kaltenbrunn im Kaunertal (Tirol)
Meine Lieben,
„Sport ist Mord!“ – mit diesem Satz hab ich 1990 an der Realschule meine Deutsch-Abschlussprüfung begonnen. Nicht ohne innerliches Grinsen hab ich diese These dann auch auf über zehn Seiten ausführlich bewiesen, so dass die Arbeit sogar als „sehr gut“ befunden wurde. Noch Jahre später konnte ich mit meinem damaligen Lehrer herzlich darüber lachen. Ich muss gestehen, je länger ich in der Schule quasi auf Kommando zur Sportlichkeit verpflichtet war, desto mehr nahm meine Freude daran rapide ab. Das Ergebnis ist, dass ich bis heute meine Leiblichkeit vor allem bei den Gaumenfreuden genieße.
Dennoch, der Körperkult hat heutzutage Hochkonjunktur: Unzählige keuchen und schwitzen in den Fitnessstuios, um einen möglichst perfekten Körper aufzubauen. Gezieltes Training, Muskaulaufbauprogramme, notfalls sogar entsprechende chirurgische Maßnahmen werden allerorten. Wem das noch nicht reicht, der kann seinem Körper noch mit Piercings und Tattoos das besondere Etwas geben, das der Schöpfer offenbar vergessen hat mitzuliefern. Solang das dem Menschen gut tut, ist es auch völlig in Ordnung. Aber nicht jeder Körper lässt sich das auf Dauer gefallen. Auch die Seele spielt hier nicht immer mit, so warnen zumindest mitunter Mediziner. Aber das hört man nicht gerne. Davon wird nicht geredet. Der Körper ist heute quer durch die Generationen ein Kultobjekt geworden. Einerseits zeigt das die hohe Wertschätzung der Körperlichkeit in unserer Zeit. Andererseits birgt es aber auch Gefahren, wenn man den eigenen Körper und damit auch sich selber, nur noch auf irgendwelche Idealvorstellungen hintrimmen und hinmanipulieren will. Gerade Jugendliche sind im Blick auf ihren Körper und ihre Persönlichkeit oft tief verunsichert, wenn sie diesen überall präsenten Idealen nicht entsprechen können.
Diesem oft zweischneidigen Körper- und Lebensgefühl unserer Tage hält das heutige Fest einen interessanten Spiegel vor: Wenn wir feiern, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, dann feiern wir auch von Gott her ein neues und ganzheitliches Menschenbild. Über lange Zeit hat man den Christen eine gewisse Leibfeindlichkeit vorgeworfen. Das war wohl im platonischen Weltbild begründet und in dem, was die Theologen daraus machten. Oft wurde da der Leib abgewertet, oder gar zum Gefängnis der Seele in dieser Welt erklärt. Das aber war viel zu einseitig, um dem christlichen Menschenbild gerecht zu werden. Wir glauben ja, dass in Jesus, geboren von Maria, Gott ganz und gar Mensch geworden ist. Und wir glauben seit alters her, dass Maria als Mensch mit Leib und Seele bei Gott aufgenommen wurde. Die altehrwürdige Kirche hier in Kaltenbrunn ist, wie viele andere, auf das Patrozinium „Mariä Himmelfahrt“ geweiht. Zum Glaubenssatz erhoben wurde das aber erst im Jahre 1950 durch Papst Pius XII. Dabei ging es nicht primär darum, einfach zu erklären was mit dem Leichnam Marias geschehen ist. Es ging und es geht vielmehr, um ein ganzheitliches und würdevolles Bild des Menschen, so wie Gott ihn gewollt und geschaffen hat. Pius XII. hatte ja erst als Nuntius in Deutschland und später als Papst die Schrecken des Krieges und die Greuel des Nationalsozialismus hautnah erlebt. Er kannte die Unmenschlichkeit von Systemen, die ideale Übermenschen machen wollten, aber damit nur letztlich monströse Wirklichkeiten schufen.
Meine Lieben,
MARIA ist heute das Bild, ja, der Inbegriff des Menschen, so wie er im Innersten seines Wesens gedacht und geschaffen ist: Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Geist und Seele. Alle drei Dimensionen gehören dazu, gehören gepflegt und gelebt, wenn wir in guter Weise Mensch sein wollen. Maria zeigt uns, dass der Mensch kein nebulöses Geistwesen ist, sondern mit beiden Beinen im realen Leben stehen muss. Maria zeigt uns aber auch – gerade in der heutigen Zeit -, dass es nicht um idealisierte Äußerlichkeiten gehen kann, sondern dass der Mensch auch im Leiden, in der Krankheit und im Tod noch Wert und Würde hat. Vor allem aber zeigt uns Maria, dass der Mensch niemals dem Wahn verfallen darf, alles aus eigener Macht erreichen zu müssen. Maria zeigt uns, was es heißt im besten Sinne zu glauben und zu vertrauen, dass Gott da ist, mitten im eigenen Leben; dass Gott Zukunft schenkt, selbst dann noch, wenn wir ihn nicht mehr zu spüren glauben .
Meine Lieben,
mir zeigt das heutige Fest – viel deutlicher und viel menschlicher als der jahrelange Sportunterricht meiner Schulzeit – was der Mensch von Gott her ist und wie der Mensch von Gott her leben kann: als wunderbare Einheit aus Körper, Geist und Seele! Amen.
(Fotos: kaltenbrunn.at)