Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis 2015 – Lesejahr B – Pfr. Michael Witti
Meine Lieben,
„Sie sagen das eine und tun das andere…“ – Bei diesem klaren Spruch kommt mir so manches in den Sinn. Mir fallen manche billige Werbeversprechen ebenso ein, wie – meist verspätete – Betroffenheitsbekundungen unserer Politiker angesichts von Ausschreitungen, die zu verhindern gewesen wären, aber auch manche Worte und Gesten unserer großen Kirchen, die bei den Menschen dann oft ganz anders ankommen.
„Sie sagen das eine und tun das andere…“ – Dieses Wort stammt nicht von irgendwelchen Besserwissern, die sowieso an allem und jedem etwas auszusetzen haben. Es stammt von keinem geringeren als Papst Franziskus selber. Es war im Juni.
Wer Waffen herstellt oder in die Waffenindustrie investiert, kann sich nicht ernsthaft als Christ bezeichnen – das meint zumindest Papst Franziskus. „Alles wird für Geld getan“, sagte er in Turin. Der Papst sprach über Vertrauen und sagte, wenn man nur Menschen vertraue, sei man verloren. Er denke dabei an „Leute, Manager, Geschäftsmänner, die sich als christlich bezeichnen und Waffen herstellen. Das führt zu Misstrauen, oder nicht?“ Franziskus kritisierte nicht nur Beschäftigte, sondern auch Investoren der Waffenindustrie. Ihnen warf er Doppelzüngigkeit vor. „Sie sagen das eine und tun das andere.“ Bereits mehrfach hatte sich der Papst kritisch über die Waffenbranche geäußert. Vor einem Jahr hatte er die Unternehmen als „Händler des Todes“ bezeichnet, vor kurzem sagte er, die Branche verewige den Krieg, um Gewinn zu machen.
Es darf niemanden wundern, dass der Papst postwendend von der amerikanischen Waffenlobby als „Marxist“ und „Kommunist“ beschimpft wurde. An die Spitze stellte sich der US-Senator Marco Rubio, der selber mit kräftigen Spenden aus der Waffenindustrie seinen Wahlkampf als Präsidentschaftskandidat der Republikaner finanziert.
Aber wir müssen gar nicht so weit gehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist der größte Rüstungsexporteur Europas. Die Produkte deutscher Waffenschmieden tauchen in allen Krisengebieten der Welt auf und werden dort hochgeschätzt. Die Gewinnspannen für unsere Wirtschaft sind enorm. Rüstungsexporte – auch in problematische Länder und Regionen – werden nicht öffentlich vom Parlament kontrolliert, sondern über einen geheimen und zur Verschwiegenheit verpflichteten Ausschuss genehmigt. Erst weit im Nachhinein werden die Fakten veröffentlicht. Die Elenden, die aus aller Welt zu uns kommen, flüchten auch vor deutschen Waffen. Immer wieder kommen diese auf dunklen Kanälen auch in die Händen von Gruppen und Regimen, denen sie offiziell nie verkauft werden dürften. Die Produktion geht gewinnbringend weiter. Das Elend der Flüchtlinge soll damit aber bitteschön nicht in Verbindung gebracht werden.
Den Weltflüchtlingstag am 17. Januar 2016 hat Papst Franziskus so überschrieben: „Migranten und Flüchtlinge sind eine Herausforderung – Antwort gibt das Evangelium der Barmherzigkeit“. Der Präsident des Päpstlichen Rates für Migranten, Antonio Maria Kardinal Veglió, spannte dabei wieder im Sinne des Papstes einen unangenehmen aber glasklaren Bogen, wenn er sagt:
„Kriege macht man mit Waffen. Haben wir jemals an eine Kontrolle des Waffenverkaufs gedacht? Wir protestieren gegen die vielen Flüchtlinge, aber wer verkauft denn die Waffen? Das sind meistens die reichen Länder. Die Kirche muss nun alles tun was sie kann – sie kann auch nicht alles – aber zumindest ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass die Situation noch lange nicht beruhigt ist.“
Meine Lieben,
„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir…“ – Diese kritischen Worte Jesus muss sich in ähnlicher Weise auch immer wieder unsere Kirche, müssen wir uns in ähnlicher Weise auch als Christinnen und Christen immer wieder vorhalten lassen. Immer wieder ist innerhalb und außerhalb unserer Kirche von einer großen „Glaubwürdigkeitskrise“ die Rede. Wir haben heute als Christen nicht nur die Chance, sondern die Pflicht, uns in den großen Fragen und Problemen unserer Tage klar zu Wort zu melden und zu positionieren. Wir sind aufgerufen, die Dinge zu hinterfragen und billige Parolen zu entlarven.
Papst Franziskus zeigt uns hier – auf dem Boden des Evangeliums einen klaren Weg. Bin ich bereit, diesen Weg auch öffentlich und engagiert mitzugehen? Oder nehme ich lieber in Kauf, dass man auch von mir, von uns hier als Christen in Deutschland einmal sagt:
„Sie sagen das eine und tun das andere…“ ?
Amen.
(Foto: pfarrbriefservice.de)