Meine Lieben,
„Ich glaub das alles nicht…“ – So wie dem Thomas geht es heute vielen mit ihrer Kirche. Mache, die vielleicht von klein auf sehr bewusst und eng mit der Kirche gelebt haben, fügen vielleicht noch hinzu: „Ich kann und ich will das jetzt einfach nicht mehr glauben…“
Diese Ablehnung hat – meist auch neben der obligatorischen Kirchensteuer – konkrete Gründe, von denen mir Menschen immer wieder erzählen. Die einen berichten von schlechten Erfahrungen, die sie mit Pfarrern oder anderen Vertretern der Kirche gemacht haben. Andere verweisen auf die vielen Skandale, die die Kirche in Deutschland (und auch in Österreich) erschüttert haben und ziehen dann einfach für sich einfach einen Schlussstrich.
Die Enttäuschung bei vielen Christen und auch bei vielen Ausgetretenen ist groß. „Ich kann und will das jetzt einfach nicht mehr glauben…“, so höre ich es immer wieder.
Vielen, zu vielen, geht es da heute ähnlich, wie damals dem Thomas, den wir vielleicht meist viel zu vorschnell den „ungläubigen“ nennen. Denn Thomas hatte bei all seinen Zweifeln doch auch eine unendliche Sehnsucht in sich. Er wollte – im wahrsten Sinne des Wortes – „begreifen“, er wollte ja glauben können.
Diese Sehnsucht spüre ich auch heute bei vielen, die sich von unserer Kirche entfernt oder ganz von ihr getrennt haben. Auch sie sehnen sich nach etwas „glaubwürdigen“, auch wenn sie nach vielen Enttäuschungen oft nicht mehr wirklich darauf zu hoffen wagen, eine für sie glaubwürdige Kirche zu finden.
Um diese Sehnsucht der Menschen zu erfüllen, braucht die Kirche heute mehr denn je glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen. Kein noch so toller Bericht konnte einst dem Thomas zum Glauben verhelfen. Er brauchte die wirkliche, die direkte Begegnung, brauchte Glaubwürdigkeit. Die suchen Menschen auch heute.
Gerade deshalb ist heute für mich so ein bedeutender Tag: Gleich zwei große Zeugen des Glaubens, die bis heute viele Menschen – kirchennahe wie kirchenferne – faszinieren, werden heute heiliggesprochen und zur Ehre der Altäre erhoben. Es sind die beiden großen Päpste des 20. Jahrhunderts Johannes XXIII. und Johannes Paul II.:
Der Italiener Angelo Giuseppe Roncalli kam am 25. November 1881 in Sotto il Monte bei Bergamo in der Lombardei zur Welt, wo er in einer armen bäuerlichen Großfamilie aufwuchs. Am 10. August 1904 wurde Roncalli zum Priester geweiht, nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er als Vatikan-Diplomat und wurde am 19. März 1925 zum Bischof geweiht. Am 22. Dezember 1944 ging Roncalli zunächst als Botschafter des Papstes nach Frankreich. Am 12. Januar 1953 wurde er von Papst Pius XII. zum Kardinal und zum Patriarchen von Venedig erhoben. Das Konklave wählte ihn am 28. Oktober 1958 zum Nachfolger des gestorbenen Pius XII. gewählt. Roncalli nannte sich fortan Johannes XXIII. Zunächst als Übergangspapst gehandelt, berief er am 25. Januar 1959 überraschend das Zweite Vatikanische Konzil ein, das am 11. Oktober 1962 seine Arbeit der inneren und äußeren Reform der Kirche aufnahm. Er veröffentlichte im Kalten Krieg die groeß FriedAm 11. Mai 1963 erhielt Johannes XXIII. den Balzan-Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit, zugleich sein letzter öffentlicher Auftritt. Am 3. Juni 1963 starb Papst Johannes XXIII. im Vatikan. Er hat die Kirche für den Dialog mit der heutigen Welt geöffnet. Schon seit seinem Tod wurde er als großer Papst einer Kirche für die Menschen verehrt.
Johannes Paul II. war der erste polnische Papst. Am 18. Mai 1920 im polnischen Wadowice nahe Krakau wurde Karol Jozef Wojtyla als Kind tiefgläubiger Katholiken geboren. Am 1. November 1946 wurde Wojtyla zum Priester geweiht, weniger später ging er zum Studieren nach Rom, später folgte dort die Promotion in Philosophie. 1958 wurde Wojtyla zum Weihbischof in Krakau berufen, 1967 durch Papst Paul VI. zum polnischen Kardinal geweiht. Am 16. Oktober 1978 schließlich wurde Karol Wojtyla zum ersten nicht-italienischen Papst seit mehr als 450 Jahren unter dem Namen Johannes Paul II. gewählt. Weitere Stationen waren am 13. Mai 1981 das Attentat des türkischen Rechtsextremisten Mehmet Ali Agca, das Johannes Paul II. schwer verletzt überlebte, am 13. April 1986 der Besuch der Synagoge in Rom, der erste Besuch eines katholischen Kirchenoberhauptes in einem jüdisches Gotteshaus, am 12. März 2000 schließlich die Entschuldigung für die Verfehlungen der Kirche, darunter Glaubenskriege, Judenverfolgung und Inquisition. Papst Johannes Paul II. starb am 2. April 2005 nach langer Krankheit in Rom. Er war ganz wesentlich am Fall des eisernen Vorhangs, der in Polen durch seine Unterstützung den Anfang nahm.
Meine Lieben,
beide Päpste, Johannes XXIII. und Johannes Paul II. waren in ihrer jeweiligen Zeit heilige Visionäre. Der eine, weil er die Kirche neu und nahe zu den Menschen brachte, der andere, weil er furchtlos zeigte, wie der Glaube an den Auferstandenen diese Welt verändern und menschlicher machen kann.
Beide rufen heute dich und mich auf, dass wir heute versuchen glaubwürdige und menschennahe Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung zu sein, die in Jesu Auferstehung begründet ist.
Oder wie es der nun heilige Papst Johannes XXIII. selbst einmal gesagt hat:
„Die Welt ist groß: Es gibt unzählige Wege, dem Herrn zu dienen. Es gibt auch einen für dich.“