Meine Lieben,
die Zahl der Taufen wird in den nächsten Jahren radikal wegbrechen. Genauso geschieht es bei mit Trauungen und den Beerdigungen. Solch Prognosen der Pastoraltheologen hab ich selber noch während meines Studiums in den 90er Jahren gehört. Das unwiderrufliche Ende der „Volkskirche“ schien man hier für Deutschland zu prophezeien. Wir sollten uns schon mal darauf einstellen und keinen leeren Träumen nachhängen, hieß es da. – Es war eine düstere Prognose. Eingetroffen ist sie aber nicht!
Wenn ich den Rückgang der Geburtenzahlen miteinbeziehe, dann werden hier bei uns – und in vielen anderen Teilen Deutschlands – immer noch ungebrochen die allermeisten Verstorbenen kirchlich beerdigt und eine immer noch große Zahl getaufter Paare heiratet auch kirchlich. Hier meine ich sogar einen erneuten leichten Anstieg zu bemerken. Unumstritten aber ist die Taufe der Kinder für die allermeisten Elter hier in unserem Bistum. Auch wenn sie selber ihren Glauben nicht praktizieren und manchmal bei den Gebeten und Riten der Taufe selber schon ins Straucheln kommen, sie wollen das für ihr Kind.
Die Gründe, die Eltern nennen, sind vielfältig: „Wir wollen unserem Kind nichts verbauen.“ – „Wir wollen, dass unser Kind die rstkommunion und die Firmung einmal mitfeiern kann“, heißt es da zuweilen. Andere meinen: „Wir wollen unserem Kind alles fürs Leben mitgeben.“ Oder gar: „Wir wollen ihm doch nur das Beste ins Leben hinein mitgeben.“ Jede dieser Antworten hat seine Berechtigung. Jede zeugt – mehr oder weniger – von Respekt und Achtung vor der christlichen Botschaft und den Kirchen, die sie verkünden.
Im letzten Jahr, in dem ein deutlicher Rechtsruck die deutsche Politik erfasst hat, fällt mir auf, dass gerade auch bei vielen, die den Kirchen eher fernstehen, das Interesse an den christlichen Gemeinden und Gemeinschaften wieder wächst. Man schätzt, dass die Kirchen sich nicht scheuen Klartext zu sprechen und sich – gegen alle Widerstände – auf die Seite der Schwachen stellen. Hier wird für viele Kirche neu glaubwürdig. Hier bekommt dann aber auch die Taufe, mit der ein Mensch in diese Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen wird, neue und spürbare Bedeutung.
Die Eltern von Täuflingen wissen – ebenso, wie wir alle – dass ein Getaufter nicht automatisch auch gleich ein besserer Mensch ist. Aber sie spüren, dass ein Mensch in dieser Gemeinschaft erleben kann, dass es wichtigeres gibt, als Geld, Konsum und Karriere. Eine kleine Geschichte, die der Benediktiner Nathanael Wirt veröffentlich hat, zeigt mir das:
Gerhard ist schwer körperbehindert. Das begann schon mit drei Jahren. Wie bei seinem älteren Bruder stellte man bei ihm eine heimtückische Krankheit fest, die langsam voranschreiten würde. Es begann bei den Füßen. Bald konnte sich Gerhard nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Das Gehör nahm immer mehr ab und schließlich stellte sich eine totale Taubheit ein. Dann begann das Augenlicht abzunehmen, bis für ihn schließlich nur noch dunkle Nacht war. Zeitweilig besuchte Gerhard das Gymnasium, dann aber kehrte er nach Hause zurück. Geistig ist er rege. Er möchte sich ausdrücken und seine Gefühle in Worte kleiden. … Wie kann man einem Blinden und Tauben das gesprochene Wort zurückgeben? Marion, eine Arzthelferin, hörte eine Sendung im Radio: Gerhard suchte jemanden, der bereit war, ihn zu besuchen und Kontakt aufzunehmen. Eine große innere Einsamkeit drängte ihn dazu. Zwei freie Arbeitstage in der Woche verbringt Marion nun mit Gerhard. Dabei machte sie eine großartige Erfindung: Sie zeichnet die Buchstaben einen nach dem anderen auf Gerhards Stirn. Nach und nach bildet sich Gerhard daraus ein Wort. Hat er dieses Wort verstanden, spricht er es aus und dann kann Marion auf seiner Stirn weiterschreiben. Ist das Wort voll-ständig, berührt sie die Nasenspitze. Gerhard schreibt so Gedichte und Kurzgeschichten. Das Leben von Gerhard ist wirklich steinig und hart. Wir bestaunen die Liebe und Zärtlichkeit von Marion. Mit großer Hingabe kümmert sie sich um Gerhard: „Ich kann gar nicht anders. Als gesunder Mensch habe ich das Bedürfnis, mich um einen Menschen mit Behinderung zu kümmern. Jesus hat das gemacht und gesagt: ,Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan.‘ Ich gehe in die Kirche, aber nicht jeden Sonntag. Ich betrachte das Zusammensein mit Gerhard als meinen Gottesdienst, dort begegne ich Jesus. Seine Gegenwart gibt mir Kraft und Freude. Über jeden kleinen Fortschritt freue ich mich und bin dankbar dafür.” 1
Meine Lieben,
als Getaufte sind wir – weiß Gott – nicht automatisch die besseren Menschen. Aber wir durften einen kennenlernen, der uns drängt, an das Gute zu Glauben und in seinem Namen dafür zu leben. Das heutige Fest der Taufe des Herrn zeigt uns aber auch, dass Jesus selber an die 30 Jahre unerkannt als Mensch unter Menschen gelebt hat. Er dann, nach der Taufe durch Johannes, ist er heilend und heilvoll mit seiner Botschaft vom Reich Gottes unter die Menschen gegangen. Mir sagt das heute: Egal was bisher war, Du kannst jederzeit damit anfangen, Gottes Traum von einer besseren Welt mit zu träumen. Du kannst gleich heute damit beginnen. Denn auch zu Dir und mir sagt heute Gott selber: DU bist mein geliebter Sohn – DU bist meine geliebte Tochter. An DIR habe ich Gefallen gefunden!
Amen.
1Nathanael Wirt OSB in: Die Augen meiner Augen sind geöffnet. Erfahrungen der Dankbarkeit. Eine Hommage an David Steindl-Rast. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
(Text: Witti/Bild: Limmer)