Pfarrbrief

2 Der Himmel steht uns offen Gedanken zu „Maria Himmelfahrt“ am 15. August Jemand hat einmal kirchliche Glaubensaussagen mit Hinweisschildern im Straßenverkehr vergli- chen. Diese Verkehrszeichen hätten keine Bedeu- tung, wenn man sie lediglich in einem Gebäude sorgsam sammle und aufbewahre. Man stellt sie hingegen genau an der Stelle der Straße auf, wo sie für die Verkehrsteilnehmer Schutz, Sicherheit und Hilfe bedeuten. So ähnlich seien auch die kirchlichen Glaubensaussagen für die Menschen in eine bestimmte Lebenssituation hineingespro- chen, um Hilfe, Orientierung, Hoffnung und Sinn zu vermitteln. Wenn man an diesen Vergleich denkt, so erscheint mir das von Papst Pius XII. am 15. August 1950 proklamierte Dogma von der „leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ keine „neue“ Glaubens- aussage im eigentlichen Sinn zu sein, sondern wie eine Erinnerung an die „alte“ Osterbotschaft, die auf eine neue Weise in die damalige Zeit hinein verkündet wer- den sollte. Allen Gläubigen sollte in der Person Marias, der „Mutter aller Gläubigen“, ein neues Zeichen der Hoffnung gegeben werden. Der letzte der beiden schrecklichen Weltkriege lag gerade einmal fünf Jahre zurück, ein neuer „kalter Krieg“ begann. Alle Welt hatte auf unbeschreiblich grausame Weise erfahren müssen, wie leicht „Leib und Leben“ unter den Soldatenstiefeln zertrampelt werden können. Angst, Unsicherheit und Lebensekel machten sich breit. Zeitströ- mungen wie etwa der „Nihilismus“, das Gefühl der Verlassenheit, des Ausgelieferts- eins und eine fehlende Orientierung regten die Fantasie in eine Richtung an, die das Leben eher in die Nähe der „Hölle“ als in die des „Himmels“ rückten. Mitten in diese Dunkelheit hinein kam die Botschaft des jüngsten Kirchenfestes: Das Leben ist Hoff- nung! Es bedeutet: Versöhnung, Ganzheit, Heil. Maria, die Mutter des „Menschen- sohnes“, ist stellvertretend für uns alle bereits im Heil, mit „Leib und Seele“, das heißt in der ganzen Fülle ihres Menschseins. Ihr Schicksal ist die Vorwegnahme und die Einlösung eines Versprechens, das uns allen gilt. Die zerstörte Einheit von „Leib“ und „Seele“, von „Materie“ und „Geist“, „Himmel“ und „Erde“, „Kultur“ und „Natur“ möge wieder ein Ganzes werden. Das tragische Auseinandertriften in unseren Köpfen von „Materie“ und „Geist“ muss in irgendeiner Weise wieder gestoppt werden. Beides muss sich doch berühren und einer Einheit entgegenstreben, die sich als die Kraft hinter allem erweist, was ist, was war und was sein wird. Unsere zerstückelte und gebeutelte Erde darf nicht noch mehr in Stücke zerfallen. Nie war das Verlangen nach „Einheit“ stärker als in der heutigen Zeit. Und doch sind wir weiter davon entfernt denn je. Vielleicht ist Maria, die Mutter Jesu, gerade deswegen weltweit für unzählige Menschen eine vertraute Ansprechpartnerin, wenn Leib und Seele auseinander zu reißen beginnen, wenn die Ver-„zwei“-flung naht. Stanislaus Klemm, In: Pfarrbriefservice.de; Fotos S.1 u. 2: Witti

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