Pfarrbrief
2 Leben in der „neuen Wirklichkeit“ Erfahrungen der Corona-Krise begleiten unser Leben Die letzten Wochen sind an nieman- dem spurlos vorübergegangen. Das Coronavirus hatte das öffentliche Le- ben weitgehen lahmgelegt. Wir hatten – auch in unserem Pfarrverband – Op- fer zu beklagen. Menschen aus unse- rer Mitte sind erkrankt, darunter auch einige, die schwere Verläufe hatten, ohne zu den Risikogruppen zu gehö- ren. Zur Angst um die Gesundheit kam bei vielen die Sorge um den Arbeits- platz, oder die Belastung durch Kinder- betreuung und Home-Schooling. Es war keine einfache Zeit. Gerade in den ersten Wochen des „Lockdown“ hatte ich viele sehr intensive Kontakte zu Menschen aus unseren Pfarrgemeinden. Sie haben mir oft bis spät in die Nacht hinein von ihren Sorgen und Ängsten erzählt. Aber die meisten haben auch positive Veränderungen in ihrem Leben entdeckt. „Wir verbrin- gen viel Zeit miteinander.“ – „Wir kochen jetzt täglich gemeinsam.“ – „Ich kann mich auf einmal wieder über Kleinigkeiten freuen.“ Diese Aussagen haben Erfahrungen bestätigt, die auch ich in diesen Wochen ma- chen durfte. Diese Zeit konnte Menschen sensibler machen. Es gab eine neue Sen- sibilität für das eigene Leben, für das, was wirklich wertvoll und lebensbereichernd ist. Aber auch gegenüber anderen Menschen konnte man sensibler werden. Die neue Wertschätzung für viele Berufe, wie Pflegepersonal, Ärzte, Supermarktmitar- beiter, Lehrer und Erzieher und viele andere mehr macht mir Mut. Wenn nun nach und nach Lockerungen im täglichen Leben kommen, wird sich zei- gen, ob wir diese neuen Werte auch weiter pflegen werden. Wird es uns gelingen, uns weiter über „Kleinigkeiten“ zu freuen? Werden wir die Berufe weiterhin schätzen, die sich nun als „systemrelevant“ erwiesen haben, auch wenn dadurch manches teurer werden könnte? Werden wir weiterhin die älteren, schwachen und kranken Menschen in der Nachbarschaft liebevoll im Blick behalten? Die Gottesdienste, die wir seit einigen Wochen mit Auflagen feiern dürfen, machen mir ebenso Mut, wie das positive Feedback auf die zahlreichen Online-Gottes- dienste und Videoimpulse der letzten Wochen. Menschen sind auch für Gottes Wort neu sensibel geworden. Viele, die sonst kaum in unserem Gemeindeleben auftau- chen, fühlten sich angesprochen. Sogar Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, waren darunter. Für sie wurde spürbar, wie aktuell die Botschaft Jesu sein kann, wenn man dafür offen ist. Es wurde erfahrbar, dass Glaube und Leben, Got- tesdienst und Solidarität mit den Menschen zusammengehören. Vielleicht ist gerade das ein wichtiger Schritt in die „neue Wirklichkeit“, in die wir nun im Warten auf Impf- stoffe und Medikamente alle gemeinsam eintreten. (Foto: Witti)
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