Meine Lieben,
„Ihr Christen mit Eurem Leben nach dem Tod. Das ist doch nur eine fromme Vertröstung aufs Jenseits …“
Das hat gesessen. Es ist schon einige Jahre her, dass ich diesen Satz gehört habe, aber er berührt mich noch heute.
Ist Ostern wirklich nur eine fromme und letztlich billige Vertröstung? Ist der Glaube an die Auferstehung wirklich nur ein frommes Beruhigungsmittel, das Menschen helfen soll, sich mit ihrer trostlosen Existenz in dieser Welt abzufinden?
Es gab sicherlich im Laufe der Geschichte die Versuchung Menschen so billig und letztlich menschenunwürdig zu vertrösten, sie in ihrem Elend sitzen zu lassen, weil ja im Himmel einmal die große Belohnung dafür auf sie warten wird. So ein Vertröstungs-Glaube aber wäre zynisch und hat nichts mit Ostern zu tun.
Je mehr ich die Osterevangelien lese, in denen Menschen mitten in ihrer Hoffnungslosigkeit neue Hoffnung bekommen und mitten in aller Resignation plötzlich wieder eine neue Lebensperspektive für sich sehen, desto mehr ist für mich Ostern ganz anders:
Wenn Auferstehung möglich ist, dann gibt es immer eine Hoffnung, die größer ist, als alle Hoffnungslosigkeit. Wenn Neubeginn selbst im Tod noch möglich ist, dann hab ich doch auch jetzt schon die Möglichkeit jeden Tag ganz neu zu leben zu beginnen.
Ich glaube, Ostern lädt mich ein, schon hier und heute hoffnungsvoll, erfüllt und gern zu leben. Aber das ist nicht so einfach, wie es sich anhören mag…
Ich erinnere mich an Menschen, die erst auf dem Sterbebett spürten, dass sie viel zu wenig gelebt hatten. Es ist unglaublich schwer, wenn mir ein Mensch das am Ende seines Lebens so erzählt.
Vieles von dem, was auch ich da immer wieder hören musste, fasst die Australierin Bronnie Ware in einem beeindruckenden Buch zusammen: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“. Im Untertitel heißt es: „Einsichten, die ihr Leben verändern werden“.
Sie, die über Jahre als Krankenschwester auf einer Palliativstation gearbeitet hat, beschreibt Menschen, wie wir sie auch alle kennen. Vielleicht gehöre ich auch selber öfter dazu, als mir lieb ist. Am Ende ihres Lebens erkennen sie dann schmerzlich im Wesentlichen fünf Dinge, die sie im Leben versäumt haben:
1. „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarten.“
2. „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“
3. „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühlen Ausdruck zu verleihen.“
4. „Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.“
5. „Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.“
Meine Lieben,
mich haben diese fünf Wünsche von Sterbenden sehr berührt. Und sie haben mir zu denken gegeben für mein eigenes Leben.
Wie möchte denn ich einmal auf mein Leben zurückschauen, wenn es ans Sterben geht? Was werde ich dann vielleicht bereuen?
Ich glaube, früher lebten die Menschen länger, als heute. Sie konnten sich mehr Zeit lassen, mehr Zeit gönnen. Denn sie lebten damals 50 oder 60 Jahre lang in dieser Welt – und dann ewig bei Gott.
Heute werden viele Menschen 80, 90 oder 100 Jahre alt, aber darüber hinaus sehen sie keine Zukunft für sich. So versuchen sie, alles nur Mögliche aus diesem kurzen Leben herauszuholen: Beruf und Karriere stehen hoch im Kurs. Vieles ist man bereit dafür zu opfern. „Mein Leben ist doch nur etwas wert, wenn ich möglichst viel erreiche, möglichst viel heraushole, möglichst viel erlebe.“
Wie oft versuchen nicht schon Eltern ihre Kinder von klein auf an unsere Leistungsgesellschaft zu gewöhnen. Wie oft lasse ich mich auch selber von all dem anstecken?
Dabei sehe ich doch fast täglich, wie Menschen unter all dem zusammenbrechen. Wie jene, die diesem Druck nicht standhalten, unter die Räder kommen. Wie Menschen dann letztlich um ihr ungelebtes Leben trauern…
Hier hilft mir Ostern. Hier und heute spüre ich, dass ich einen an meiner Seite habe, auch wenn ich schwere Wege, Kreuzwege, im Leben gehen muss.
Hier und heute spüre ich IHN an meiner Seite.
ER, der die Kraft hatte, durch den Tod ins Leben zu gehen,
ER der auch mir Leben über den Tod hinaus verspricht,
ER lässt mich schon hier und jetzt – mitten im Leben – aufstehen – auferstehen.
OSTERN ist das Versprechen einer wunderbaren Zukunft, die selbst noch meine kühnsten Vorstellungen übertreffen wird – und diese Zukunft beginnt nicht irgendwann. Sie beginnt heute, hier und jetzt, damit ich keinen Tag mehr bereuen muss, an dem Gott mir aus ganzem Herzen „Leben in Fülle“ schenken will.
Amen. Halleluja.
(Text: Witti/Foto: Jäger)