Meine Lieben,
„Warum tut denn da niemand ´was? Und wenn man anruft, dann ist niemand erreichbar, weil Urlaubszeit ist. Denen ist unser Boden doch gar nichts wert!“ – So und so ähnlich hab ich es im Sommer immer wieder von Anliegern zu hören bekommen. Es ging und den Feichtener Pfarrwald. Wir selber haben damit nichts mehr zu tun. Er wird zentral verwaltet. Die Bewirtschaftung wurde großräumig anderen übergeben, die nicht von hier sind. Wenn die mit großen Maschinen anrücken, wird rasch gezeigt, was man mit so einem Wald erwirtschaften kann. Die großen Schneisen, die die schweren Maschinen in den Wald geschlagen haben, erzählen noch lange davon. Aber dann sind die Arbeiter wieder weg. Es ist für Sie – wer könnte es ihnen auch verdenken – nur ein Stück Wirtschaftsland, kein Stück Heimat.
Als sich dann heuer im Sommer in der ganzen Region der Borkenkäfer unbeschreiblich vermehrt hat, so dass die stetig wachsende Population weite Teile unserer bislang noch gesunden Wälder bedroht hat, musste schnell gehandelt werden. Da hab man nicht lange gefackelt. Da haben viele hier zusammen geholfen, um dieser Gefahr durch den ein engschleppten Schädling Herr zu werden. Nur im Pfarrholz geschah erst einmal nichts. Es war Urlaubzeit.
Mehr noch, als die Gefahr durch den Borkenkäfer, haben mich daraufhin grundsätzliche Fragen beschäftigt: Was ist unsere „Heimat“? Was sind uns jene wert, die diese „Heimat“ hier für uns alle pflegen und erhalten? Ist der Boden von dem wir leben, wirklich nur ein Wirtschaftsgut, oder ist er nicht doch unendlich viel mehr?
Antworten auf diese Fragen finde ich in der großen Schöpfungsenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus, mit der wir uns im kommenden Jahr auch in den Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen noch intensiv und möglichst konkret auseinandersetzen wollen. Im Blick auf unseren Umgang mit dem Land, das uns gegeben ist, ja, das uns „Heimat“ sein soll, gibt mir Franziskus sehr zu denken, wenn er schreibt:
„Wir sind nicht Gott. Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden. Das gestattet, auf eine Beschuldigung gegenüber dem jüdisch-christlichen Denken zu antworten: Man hat gesagt, seit dem Bericht der Genesis, der einlädt, sich die Erde zu »unterwerfen« (vgl. Gen 1,28), werde die wilde Ausbeutung der Natur begünstigt durch die Darstellung des Menschen als herrschend und destruktiv. Das ist keine korrekte Interpretation der Bibel, wie die Kirche sie versteht. Wenn es stimmt, dass wir Christen die Schriften manchmal falsch interpretiert haben, müssen wir heute mit Nachdruck zurückweisen, dass aus der Tatsache, als Abbild Gottes erschaffen zu sein, und dem Auftrag, die Erde zu beherrschen, eine absolute Herrschaft über die anderen Geschöpfe gefolgert wird. Es ist wichtig, die biblischen Texte in ihrem Zusammenhang zu lesen, mit einer geeigneten Hermeneutik, und daran zu erinnern, dass sie uns einladen, den Garten der Welt zu »bebauen« und zu »hüten« (vgl. Gen 2,15). Während »bebauen« kultivieren, pflügen oder bewirtschaften bedeutet, ist mit »hüten« schützen, beaufsichtigen, bewahren, erhalten, bewachen gemeint. Das schließt eine Beziehung verantwortlicher Wechselseitigkeit zwischen dem Menschen und der Natur ein. Jede Gemeinschaft darf von der Erde das nehmen, was sie zu ihrem Überleben braucht, hat aber auch die Pflicht, sie zu schützen und das Fortbestehen ihrer Fruchtbarkeit für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Denn »dem Herrn gehört die Erde« (Ps 24,1), ihm gehört letztlich »die Erde und alles, was auf ihr lebt« (Dtn 10,14).“
Meine Lieben,
wir können heute nicht ehrlichen Herzens das Erntedankfest feiern, wenn wir uns nicht zugleich auch der Verantwortung stellen, die wir haben gegenüber dieser Erde, ihren Geschöpfen und dem Land auf dem wir leben.
Diese Welt gehört uns nicht. Sie wurde uns von Gott geliehen, damit wir sie dann gut und heil in die Hände der nächsten Generation weitergeben können. Das aber fordert und alle heraus in unserem Denken und Handeln, in unserem Bewirtschaften und Konsumieren.
In den Kirchenverwaltungen und Pfarrgemeinderäten wollen wir uns in den kommenden Monaten mit diesem Papstwort und unserer Schöpfungsverantwortung auseinandersetzen, auch ganz konkret im Blick auf die uralten Stiftungen, auf das Land, das wir für unsere Pfarreien verwalten sollen. Es ist mir persönlich ein sehr großes Anliegen, auch hier die Bewirtschaftung möglichst in kleinen Kreisläufen vor Ort zu ermöglichen. Das wäre einerseits oft ökologisch nachhaltiger, würde aber auch andererseits, das Bewusstsein stärken, dass das Land, von dem wir leben unsere gottgeschenkte Heimat ist.
Dieses Bewusstsein nimmt aber auch alle anderen in die Pflicht, die dieses Land bewirtschaften und pflegen. Und es nimmt jede und jeden von uns als Konsumenten und mündige Bürger in die Pflicht, so zu handeln, dass auch künftige Generationen in aller Welt noch menschenwürdig leben können.
Das ist eine große Aufgabe, aber – wenn wir den Worten des Paulus aus der Zweiten Lesung glauben – können wir diese Herausforderung annehmen und meistern „im Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“.
Ich danke heute ausdrücklich allen, die hier bei uns mit ihrem Leben und Arbeiten aus diesem Geist heraus unsere Heimat pflegen und für uns alle als Lebensraum erhalten.
Mit Euch allen möchte ich heute so beten, wie es einst von unbekannter Hand an die Todesgrenze der Berliner Mauer geschrieben wurde:
Ich liebe dich, Erde, mit allem, was auf ihr lebt. Gott hat dich geschaffen. Ich liebe dich, Erde, denn Gott hat dich sehr schön gemacht mit deinen Bäumen, Blumen und Tieren, mit deinen Menschen. Ich liebe dich, Erde, Gott erhält dich noch immer in seiner Treue. Trotz aller Zerstörung, die wir angerichtet haben auf dir, trotz Krieg, Gewalt und rücksichtslosem Ausrauben wird es noch immer Frühling und Sommer, Herbst und Winter, kommt immer ein neuer Tag nach dem Dunkel der Nacht. Ich liebe dich, Erde. Darum will ich liebevoll leben lernen und Verantwortung übernehmen für Gottes Schöpfung.1
Amen.
1Quelle: Dein Wort. Mein Weg. Alltägliche Begegnungen mit der Bibel 3/14.
(Text: Witti/Bilder: Limmer)