Korrupte Menschen als Vorbilder? – Predigt 25. Sonntag im Jahreskreis 2016 – C

limmer-mammonMeine Lieben,

kann ein verurteilter Steuerhinterzieher wieder Präsident eines der renommiertesten Fußballclubs des Landes werden? Reicht es, einfach mal 43 Millionen Steuern nachzuzahlen, ein paar Monate im Gefängnis abzusitzen, und dann passt wieder alles? So ein Amt – von dem er ja ursprünglich wegen eben dieser Steueraffäre zurückgetreten ist – hat doch auch eine gewisse Vorbildfunktion. Kann so ein verurteilter Mann, der der Allgemeinheit Summen vorenthalten wollte, die wir uns alle kaum vorstellen können, wirklich noch als Vorbild herhalten?

Jesus hätte offenbar kein Problem damit, wenn man ihn im heutigen Evangelium so hört. Da stellt er ja auch einen höchst korrupten Verwalter letztlich als Vorbild hin. Der Kerl prellt seinen langjährigen Chef um hohe Summen, mit denen er sich die Gunst der Schuldner seines Herrn erkaufen will. So versucht er doch nur, seine eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. So will er sich Freunde kaufen, die dann ihn unterstützen sollen, wenn er nach seinem Rauswurf auf der Straße sitzt. Bei uns wäre dieser Verwalter ein Fall für den Staatsanwalt. Jesus aber stellt ihn als Vorbild hin. Wie geht das zusammen?

Auf den ersten Blick scheint Jesus hier viele Fußballfans aus dem Herzen zu reden, über deren Äußerungen in manchen Interviews ich selber nur den Kopf schütteln konnte. „Er ist doch so ein guter Kerl! Er hat immer so viel Gutes getan! Er hat ja eine so soziale Ader, wenn er da und dort großzügig geholfen hat…“, so war es da zu hören. Dass er dafür wohl nur einen Teil von dem aufgebracht hat, was eigentlich ohnehin der Allgemeinheit als Steuer zusteht, schien nicht zu interessieren. Auch dachte offenbar keiner dieser Fans daran, dass er selber es sich wohl kaum erlauben könnte, das eigene Geld so frech am Fiskus vorbei zu schleusen. Es herrschte bei vielen einfach nur grenzenloser Jubel darüber, dass diese vermeintliche Lichtgestalt wieder an die Spitze des Vereins kommt.

Ob Jesus das wirklich so gemeint hat? Will er heute mit diesem Gleichnis gar eine Art Generalamnestie für viele, die korrupt Gelder umleiten, hinterziehen oder waschen, sobald sie nebenbei mit diesem Geld ein bisschen was Gutes tun? Ich glaube, hier kann ein zweiter, etwas genauerer Blick nicht schaden. Hier fällt mir dann ein Wort auf, das manches erklärt. Jesus spricht in fast unerhörter Weise vom „ungerechten Mammon“. Es interessiert offenbar nicht, wie jener reiche Mann zu seinem Vermögen gekommen ist. Er fragt nicht, ob es erarbeitet oder nur ererbt ist. Es ist für ihn in jedem Falle „ungerecht“, wenn einer mehr hat, als er bei normaler Lebensführung jemals aufbrauchen könnte, während andere als Schuldknechte dieses Reichtums nicht wissen, wie sie um die Runden kommen sollen.

Aber so funktioniert doch die Wirtschaft weltweit! Heute läuft das noch viel brutaler, als zur Zeit Jesu. Heute können ganze Länder in Schuldknechtschaft gehalten werden, um mit Rohstoffen, Zins und Zinseszins den Wohlstand von Spekulanten – und nicht zuletzt auch den Wohlstand von uns allen hier in einem der reichsten Länder der Welt aufrecht zu erhalten. So funktioniert die Welt. Die Frage, ob das gerecht ist, ist weder politisch, noch ökonomisch oder sozial wirklich gewollt.

Mir fällt der großartige brasilianische Bischof Dom Helder Camara ein. In seinem Einsatz für die Ärmsten der Armen hat er einmal gesagt: „Wenn ich einem Hungernden zu essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich nach den Ursachen des Hungers von Millionen von Menschen frage, verteufeln sie mich als Kommunisten.“

Meine Lieben,

es geht Jesus sicher nicht um billige Absolution für Steuersünder und andere korrupte Menschen, die die Allgemeinheit schädigen. Im Gegenteil: Jesus geht an die Wurzel dieser immer schlimmer werdenden Problematik. Er fragt indirekt heute die Menschen dieser Welt, er fragt unsere Kirche, er fragt unsere in Deutschland gutsituierten Bistümer, er fragt unsere Konzerne und Firmen, er fragt die Aktionäre und Spekulanten, er fragt auch dich und mich:

Woran hängst du dein Herz? Wie gehst du mit dem um, das dir gegeben ist? Was zählt in deinem Leben, wenn ich es eines Tages von dir zurückfordern werde?

Und er gibt uns schon heute eine erschreckend klare Antwort auf all diese Fragen, die wir in unserem mehr oder weniger bequemen Alltag kaum zu stellen wagen:

„Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“

Amen.

(Text: Witti/Bild: Limmer)

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