Gottes Geist wirkt! – Pfingstpredigt 2016

PfingstroseMeine Lieben,

ich war letzte Woche in ein Kabarett eingeladen. In einer der lustigen Szenen ging es um eine Podiumsdiskussion, an der auch ein Pfarrer teilnahm. Egal welche Frage auch kam, er erzählte immer und unbeirrt nur vom Jesus, der zum Sturm sagt: „Still!“ So witzig die Darsteller auch waren, mir wäre das fast ein wenig das Lachen im Halse stecken geblieben. Denn was hier als überspitzte Satire dargeboten wurde, entspricht dem, wie viele Menschen Kirche erleben oder doch zumindest – mangels anderer Erfahrungen – einschätzen. Ja, in den Augen mancher übertrifft die Realität hier jede noch so gute Satire.

„Ihr gebt Antworten auf Fragen, die kein Mensch so stellt, ja, die keinen Menschen heute interessieren…“ – „Ihr habt keine Ahnung vom ganz normalen Leben…“ – „Ihr lebt in Eurer eigenen Welt und wisst nicht, was die Menschen wirklich interessiert…“

Solche und ähnliche Aussagen bekomme auch ich immer wieder mal zu hören. Und wenn ich dann erzählt bekomme, wie Vertreter der Kirche bei Taufen, Trauungen, Beerdigungen oder anderen Anlässen reden und mit Menschen umgehen, dann kann ich den eben genannten Aussagen oft kaum widersprechen. Hier braucht es in unseren christlichen Kirchen immer wieder und immer neu das, was wir heute feiern: PFINGSTEN

Wir brauchen in all den Fragen und Probleme, egal ob sie von außen auf uns hereinbrechen oder ob sie hausgemacht sind, Gottes Geist, der uns zeigt, was heute zu tun ist, Gottes Geist, der weht wo er will, Gottes Geist, der – wie es mein verehrter Lehrer Professor Karl Schlemmer immer gesagt hat – ein Freund von Überraschungen ist – auch heute noch!

Dieser Heilige Geist hat einst die Jünger angetrieben. Sie haben sich dann nicht länger in ihren Räumen eingeschlossen, sondern sind hinaus auf die Straßen und Plätze gegangen, dorthin, wo das Leben pulsiert, dorthin wo die ganz normalen Menschen zu finden sind.

Dieser Heilige Geist hat den Jüngern die Fähigkeit gegeben in der Sprache der Menschen ihrer Zeit zu reden, sich wirklich verständlich zu machen. So mussten sie keine leeren Phrasen dreschen, sondern konnten Worte finden, die nicht nur die Ohren, sondern auch die Herzen der Menschen erreichen konnten.

Dieser Heilige Geist gab den Jüngern den Mut, alte und ausgetretene Pfade auch einmal zu verlassen und in Gottes Namen neue Wege zu gehen. Nur so konnte aus einer kleinen jüdischen Splittergruppe die weltumspannende Christenheit werden.

Meine Lieben,

ich bin mir sicher, dieser Heilige Geist wirkt auch heute noch! Immer wieder sehe und spüre ich das zutiefst. Er wirkt in meinen Augen in unserem Papst Franziskus. Er stellt uns Christen und der ganzen Welt in bisher nie dagewesener Klarheit die soziale und ökologische Frage, an der sich nicht nur unsere eigene Glaubwürdigkeit, sondern die ganze Zukunft unserer Welt entscheiden wird. Über alle Grenzen von Völkern, Nationen und Religionen hinweg wird Franziskus dafür geachtet.

Er öffnet auch innerhalb unserer Kirche neue Räume des geisterfüllten Gespräches, auch über Dinge, über die zu reden vorher nicht üblich, ja, verboten war. Wenn er jetzt sogar Überlegungen zum Diakonat der Frau aufgreift und diskutieren lässt, zeigt das nicht, dass er mit der Vergangenheit bricht, sondern dass er die von Neuen Testament inspirierten Denkansätze ernst nimmt. Paulus selber nennt ja im Römerbrief die Phöbe eine „Dienerin“, also Diakonin, „der Gemeinde von Kenchreä“. Franziskus sieht sicherlich aber auch die Not vieler Gemeinden, die heute vor allem in den westlichen Ländern ohne Seelsorger sind. Er wird aber sicherlich keine übereilten Entscheidungen treffen, sondern vor allem Dialogprozesse ermöglichen, wie er es ja auch im Blick auf die Fragen von Ehe, Familie und Sexualität getan hat.

Ich spüre aber auch oft und oft wie Gottes Heiliger Geist in einzelnen Menschen wirkt, die glaubwürdig und geistvoll ihr Christsein leben, die sich in den Gemeinden und in vielen sozialen Projekten engagieren, auch hier in unserem Pfarrverband. Trotz aller Fragen und Sorgen, trotz aller berechtigten Anfragen und auch Vorbehalte, die uns als Kirche und als einzelne Christen begegnen, zeigt mir das Pfingstfest, dass ich mutig in die Zukunft schauen darf. Gottes Geist wirkt – und er will auch durch Dich und durch mich wirken. Der großartige brasilianische Bischof und Befreiungstheologe Dom Helder Cama­ra legt es Dir und mir einmal so ans Herz:

„Der Geist des Herrn sendet uns, um mit uns die Erde zu erneuern, um die Selbstsucht aufzubrechen, eine menschlichere, eine christliche Welt aufzubauen.“

Amen.

(Text/Bild: Witti)

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