Kann man aktuell Oster als „Fest des Lebens“ feiern? (Predigt M. Witti)

_DSC0002Meine Lieben,

können wir heute wirklich Oster, das Fest des Lebens, feiern? Die Welt um uns herum scheint vielerorts doch immer mehr in eine Kultur der Gewalt und des Todes zu verfallen. Die Anschläge von Brüssel, bei denen auch eine 29-jährige Frau aus Aachen unter den Opfern ist, lassen uns noch schaudern. Immer mehr wird klar, dass es enge Verbindungen zu den furchtbaren Anschlägen in Paris gab. Die schreckliche Saat von Angst und Hass wollen diese Terroristen in Europa aussäen. Aber damit nicht genug. Auch in Bagdad fielen dieser Tage 29 Iraker bei einem Fußballspiel einem Selbstmordattentäter des Islamischen Staates zum Opfer. Damit soll im Irak die gleiche Saat des tödlichen Hasses ausgebracht werden, wie in Syrien und vielen anderen islamischen Ländern. Dort sind die Zahlen der Terroropfer noch ungleich höher. Viele werden so zur Flucht aus der Heimat gezwungen. Für sie wird dann – ebenso wie für viele Menschen aus Afrika – das Mittelmeer, an dem wir so gern Urlaub machen, zum Massengrab. Aber damit nicht genug. Die Sahara fordert wohl – unbemerkt von uns allen hier – ebenso viele Todesopfer, wenn skrupellose Schleuser Flüchtlinge aus Eritrea, Nigeria oder anderen Staaten erst abkassieren, dann aber oft genug einfach in der Wüste ihrem Schicksal überlassen. Und wer die Flucht aus all diesen Ländern nicht schafft, lebt dort oft genug unter ständiger Todesgefahr durch Diktatoren, Terroristen, oder einfach durch die nackte Armut.

_DSC0023Inmitten dieser sich ausbreitenden Kultur der Gewalt und des Todes, die immer mehr Ost und West, Nord und Süd gleichermaßen bedroht, feiern wir heute Ostern, das Fest des Lebens. Ist es nicht sinnlos, was wir heute hier tun? Ist es gar zynisch, wenn wir hier das Halleluja auf das Leben singen, während an vielen Orten der Welt Tod und Gewalt regiert? Ich glaube, die Feier der Kartage und des Osterfestes ist heuer vielleicht sogar noch wichtiger, als in vergangenen Jahren.

_DSC0031Wir können als Christen nicht auf das Kreuz Jesu schauen, ohne nicht auch die Kreuze zu spüren, die heute Menschen qualvoll zu Boden drücken. Papst Franzsikus hat es beim traditionellen Kreuzweg im römischen Kolosseum so formuliert:

„O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich aufgerichtet in unseren Schwestern und Brüdern, die getötet, lebendig verbrannt werden, deren Kehlen durchgeschnitten, die geköpft werden mit barbarischen Schwertern und unter feigem Stillschweigen.“

Aber auch die ungezählten, oft genug verschämt verstecken Kreuze, die Menschen in unserer nächsten Nachbarschaft oft zu tragen haben, können und dürfen wir Christen nicht übersehen. Auch der Blick auf das Grab Christi muss uns die Augen öffnen für die Gräber, die heute von unendlichem Leid, von unbegreiflicher Qual erzählen. Papst Franziskus sagte dazu:

„Das Mittelmeer und die Ägäis sind zu einem unersättlichen Friedhof geworden, ein Bild unseres abgestumpften und betäubten Gewissens.“ – Unzählige andere, oft namenlose Gräber kommen noch hinzu.

Meine Lieben,

das Kreuz und das Grab Jesu rütteln uns auf, unsere Augen vor all diesen Kreuzen und Gräbern unserer Tage nicht zu verschließen. Aber das alleine würde nicht reichen. Wenn wir dabei stehen bleiben würden, liefen wir Gefahr, angesichts unserer Hilflosigkeit und Machtlosigkeit schier zu verzweifeln.

Darum feiern wir OSTERN! Darum rufen wir mutig das Halleluja des Lebens in die Welt hinaus! Darum machen wir uns selber auf den Weg, der uns, gleich den Emmausjüngern, aus der Verzweiflung heraus in ein neues, mutiges, vom Glauben getragenes Handeln treibt.

OSTERN sagt mir: Gewalt und Tod werden niemals das letzte Wort haben.

OSTERN will mich zu einem Widerstandskämpfer des Todes, zu einem Bewahrer des Lebens und aller Lebensräume machen.

OSTERN fordert mich heraus, Auferstehung schon hier und jetzt zu leben, indem wir – ich und Du – aufstehen, mutig die Dinge beim Namen zu nennen, die Verantwortlichen bei uns und in aller Welt zu bestürmen und selber nach Kräften mitzuarbeiten an einer menschlicheren, an einer österlichen Welt!

Möglichkeiten dazu habe ich jeden Tag mehr als genug, in meiner nächsten Umgebung und ich meinem Reden und Handeln angesichts der weltweiten Tragödien.

Ich bin mir sicher, dass wir Menschen OSTERN niemals begreifen werden, aber wir können es leben, voller Glauben an das unzerstörbare Leben, das Gott uns hier und heute verspricht. Ein Gedicht von Kurt Marti lädt uns dazu ein:

Ihr fragt  wie ist die Auferstehung der Toten?

Ich weiß es nicht. Ihr fragt  wann ist die Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht. Ihr fragt  gibt’s eine Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht. Ihr fragt  gibt’s keine Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht, Ich weiß nur, wonach ihr nicht fragt: die Auferstehung derer, die leben. Ich weiß nur, wozu Er uns ruft: zur Auferstehung heute und jetzt.

Amen.

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(Fotos: Limmer)

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