Meine Lieben,
„Wir kommen daher aus dem Morgenland, wir kommen geführt durch Gottes Hand. Wir wünschen Euch ein gesegnetes Jahr: Caspar, Melchior und Balthasar“
Mit diesem Lied auf den Lippen standen sie in diesen Tagen vor unseren Türen, die Sternsinger, verkleidet als orientalische Weise. Gern öffnen ihnen die meisten Menschen die Tür. Sie hören ihre Botschaft, geben eine Spende – oft auch eine kleine Aufmerksamkeit für die Kinder selbst – mit auf den weiteren Weg. Und gern lassen sie sich den Segensspruch fürs neue Jahr an die Türen schreiben, auch wenn sie sonst vielleicht kaum noch Kontakt zu einer der christlichen Kirchen haben. Es ist eben ein schöner Brauch, der von den Leuten gern gepflegt wird.
Brauchtum wird ja durchaus wieder geschätzt und von vielen gepflegt. Es ist aber oft auch die einzige Form, in der Religion und Glaube noch öffentlich auftreten – als Brauchtumspflege. Darüber hinaus soll Religion bitte Privatsache bleiben. Für viele hat sie in unserem Lande nichts zu suchen in der Öffentlichkeit, in Fragen der Politik und Gesellschaft.
„Wir kommen daher aus dem Morgenland, wir kommen geführt durch Gottes Hand…
Wenn derzeit viele glaubende Menschen aus dem „Morgenland“, aus Afghanistan, den Irak, aus Eritrea und anderen Krisen- und Kriegsländern in unser Land kommen, dann haben plötzlich viele Deutsche Angst vor Menschen, die etwas glauben und die diesen Glauben auch leben.
Interessanterweise formiert sich der lauteste Protest, der auch mit der höchsten Zahl an kriminellen Anschlägen einhergeht, in den Neuen Bundesländern, also in jenem Teil Deutschlands, in dem es der einzig wirkliche Erfolg der sozialistischen Jahrzehnte war, dass dort Religion weitgehend abgeschafft und aus der Öffentlichkeit verbannt wurde. Dort, wo auch ein geplanter Katholikentag auf massive öffentliche Kritik stieß, darf es nicht wundern, wenn tausende allwöchentlich alles Fremde und damit auch das Religiöse mit Häme und Hetze überschütten und wenn man dort in diesem Zusammenhang auch vor massiver Hetze nicht zurückschreckt. Aber auch im „christlichen“ Bayernland sind wir oft genug nicht allzu weit von solchen Parolen und Zuständen entfernt.
Hier setzt für mich die höchst aktuelle Bedeutung des Dreikönigsfestes ein: Die Weisen, von denen das Evangelium erzählt, waren Menschen fremder Kultur und Religion. Es wird auch mit keinem Wort erwähnt, dass sie nachdem sie dem Kind gehuldigt hatten, Juden oder später gar Christen geworden wären. Sie blieben ihrer „morgenländischen“ Kultur und Religion treu. Dennnoch war das, was wir so liebevoll in unseren Weihnachtskrippen und im Sternsingerbrauch darstellen, etwas zeitlos bedeutendet:
Es war die respektvolle, echte und tiefe Begegnung verschiedener Religionen und Kulturen. Die Weisen an der Krippe, sind für mich ein Modell, wie wir auch die oft so hochgespielten Probleme unserer Tage hier in unserem Land lösen könnten.
„Ich liebe die Muslime, weil sie Gott lieben!“ – Diesen denkwürdigen Satz hat der leider schon 1994 verstorbene Dominikaner Georges Anawati geprägt. In einer Zeit, als fundamentalistische Strömungen im Islam stärker wurden, pflegte er die theolgische, philosophische, aber auch menschliche Begegnung zwischen Islam und Christentum. Dabei standen er und seine Mitbrüder ganz in der Tradition ihres Ordensvaters, des heiligen Dominikus. Anawati schätzte den Respekt vor der Religion in der Öffentlichkeit, die viele Chancen zur Begegnung bot. Dabei wusste er deutlich auch um die Grenzen dieser Begegnungen. Er selbst sagte das so: „Mit einem muslimischen Gläubigen fühle ich mich wie mit einem Bruder. Kein Unterschied weiter. Du bist so, Gott schenkte Dir Deinen Glauben, und mir schenkte er meinen, Schluss! … Ich sage Dir: Bleib Muslim, aber ein aufgeklärter. Und ich bin ein aufgeklärter Christ, denn unter uns gibt es auch Fanatiker…“
Meine Lieben,
wenn ich heute zum Dreikönigsfest einen Wunsch fürs neue Jahr formulieren dürfte, dann wäre es wohl dieser: Ich wünsche mir, dass wir die Weisen an der Krippe zum Vorbild nehmen. Sie zeigen mir, wie wichtig es ist, dass wir Glaube und Religion nicht aus der Öffentlichkeit verbannen, dass sie präsent sind, dass sie gefährliche Parolen und Entwicklungen hinterfragen. Das Menschenrecht der Religionsfreiheit bedeutet ja eben nicht, dass die Gesellschaft frei von Religion zu sein hat, sondern dass jeder Mensch das Recht hat in dieser Gesellschaft sich öffentlich zu seinem Glauben zu bekennen, egal ob als Christ, als Moslem, oder als was auch immer. Die Weisen an der Krippe zeigen mir aber auch, wie wichtig es ist, die respektvolle Begegnung zwischen den Religionen zu fördern und zu pflegen. Dann kann auch heute noch gelten, was die Engel einst über den Hirtenfeldern verkündet haben:
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seiner Gnade!“
Amen.
(Text/Bild: Witti)