17 Kilometer sind die beiden Außenstationen Chase und Masimba der Pfarrei Farkwa in der Diözese Kondoa in Zentraltansania voneinander entfernt. Obwohl er als Katechist diese Strecke zwischen den beiden Stationen und den zehn dazugehörigen Dörfern zu Fuß bewältigen muss, hat Yohani Simson immer ein Lächeln auf den Lippen, legt er einen gewinnenden Humor an den Tag und ist geprägt durch seine Großherzigkeit gegenüber den Menschen, die ihm begegnen. So bringt er dann schon einmal Bananen mit, auch wenn es ein Opfer ist, weil der Regen lange ausgeblieben und die Ernte entsprechend gering ist. Auch ungefährlich sind die Wege nicht, die durch Steppe und dichtes Gestrüpp führen. So erzählt er: „Wenn ich eine Stunde früher dran gewesen wäre, wäre ich mit einer Gruppe Elefanten zusammengetroffen, die gerade von einer gegenüberliegenden Wasserstelle kamen, oder einem Löwen begegnet, das ist ein Berufsrisiko hier, wie ein Autounfall in einer großen Stadt.“ – Aber es macht Spaß, mit den Kindern den Katechismusunterricht zu gestalten, die Sonntagsliturgie zu entwerfen und Katechumenen auf die Taufe vorzubereiten.
Oder: „Jipe Moyo“ heißt das Zentrum im Nordwesten Tansanias an der Grenze zu Kenia, das von Sr. Annunciata Chacha geleitet wird. Der Name „Jipe Moyo“ bedeutet so viel wie „Fass dir ein Herz!“ und passt sehr gut zur Aufgabe, die dort geleistet wird, nämlich: Kinder von der Straße zu holen, die den Mut und die Hoffnung verloren haben, um ihnen einen neuen Start in ein besseres Leben zu ermöglichen.
Das sind zwei Beispiele, wie Kirche lebt in Tansania, dem diesjährigen Partnerland des heutigen Weltmissionssonntags. Es sind Beispiele, wie das Wort „Misson“ heute sehr lebensnah verstanden werden kann, Beispiele dafür, mit welcher „Mission“ sich heute Christen in Jesu Namen zu den Menschen aufmachen.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ lautet das diesjährige Motto des Weltmissionssonntages, entnommen Pslam 96.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ – das meint aber nicht, einfach nur das Evangelium vorzulesen, Bibeln zu verschenken oder Gottesdienste zu feiern. Gotts Heil zu verkünden kann nur gelingen, wenn ich mich um den Menschen als Ganzes sorge, wenn ich sein ganzen Leben in den Blick nehme, seine materiellen und sozialen Probleme ebenso, wie seine Sehnsüchte und Träume, seine Wertvorstellungen und seine Spiritualität. Fromme Sprüche alleine helfen da nicht weiter. Auch noch so schöne Bibelworte werden einen Menschen nicht berühren, wenn ich mich nicht zuallererst auch für sein tagtägliches Leben, seine Sorgen und Mühen, seine Hoffnungen und Freuden interessiere.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ – Wenn „Mission“ unter diesem Leitwort steht, dann braucht sie Menschen, die bereit sind für andere da zu sein, ihnen heilvoll und heilsam zu begegnen, ihnen so – im Sinne Jesu – zu dienen.
Meine Lieben,
dieser Missionsgedanke gilt einerseits für das große Hilfswerk MISSIO in München, für das die heutige Kirchensammlung bestimmt ist. Hier sorgt man sich um Menschen in Krisenherden, in Entwicklungs- und Schwellenländern, sowohl was ihre materielle, als auch ihre geistliche Not angeht. Glaube und Hoffnung soll dort wachsen, wo konkrete Solidarität und Liebe spürbar werden.
Dieser Gedanke aber gilt nicht nur für ferne Länder. Er sollte andererseits auch hier als Gemeinde im reichen Deutschland zu denken geben. Die Nöte hier sind vielleicht anders, aber für jene, die sie betreffen, nicht weniger drückend.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ – Das meint mehr, als nur ein paar Euro bei der heutigen Sammlung.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ – Das fordert Dich und mich auf, zu schauen, wonach sich Menschen auch hier bei uns sehnen, worunter sie leiden, warum sie unglücklich sind.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag“ – Wenn ich das ernst nehme, muss ich mich fragen: Wo werde ich heute gebraucht? Wo ist jemand einsam? Wo sehnt sich jemand nach einem offenen Ohr, einer Hand, die die seine oder ihre hält? Egal ob in der Flüchtlingsunterkunft oder im Krankenhaus, ob im Jugendtreff oder im Seniorenheim – oder auch einfach nur im Haus nebenan… Es gibt viele die sich auch hier danach sehnen, dass für sie jemand Gotts Heil erlebbar macht.
Oft aber scheitert das schon allein daran, dass ich für all diese Dinge blind bin. Diese Blindheit der Seele ist aber oft noch schlimmer, als die körperliche Erblindung des Bartimäus in Evangelium. Umgekehrt ist diese Blindheit der Seele aber oft auch recht bequem. Sie lässt mich in Ruhe mein Ding durchziehen, ohne groß auf andere Rücksicht zu nehmen. „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß…“, sage ich mir dann nur allzu gern. Bin ich wirklich bereit – wie Bartimäus – zu rufen: „Rabbuni, ich möchte sehen können“ Will ich wirklich – auch mit meinem Herzen und meiner Seele – sehend werden? Will ich wirklich all das erkennen können, was heute hier bei uns und überall in der Welt Hilfe Not tut, wo ich gefragt bin, um eine kleine Spur von Gottes Heil spürbar zu machen?
Unsere Gabe bei der heutigen Sammlung kann ein Anfang sein, aber mehr auch nicht. Jesus aber hätte noch viel mehr vor, mit Dir und mit mir. Die Frage ist nur, ob ich den Mut dazu habe, ob auch ich mich traue zu rufen:
„Rabbuni, ich möchte wieder sehen können…“
Amen.
(Pfarrer Michael Witti/Foto: www.missio.com)