Meine Lieben,
das ist schon starker Tobak, der uns heute hier aufgetischt wird: „Ihr Reichen, weint nur und klagt … Noch in den letzten Tagen sammelt ihr Schätze. Aber der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum … Ihr habt auf Erden ein üppiges und ausschweifendes Leben geführt … Ihr habt den Gerechten verurteilt und umgebracht, er aber leistete euch keinen Widerstand.“
Es ist brachial, aber leider auch zeitlos aktuell, was der Apostel Jakobus heute in der Zweiten Lesung aus seinem Brief anklagend vorbringt. Der Wohlstand einiger weniger wird brutal erkauft und erpresst durch das Elend vieler. Schon zu Zeiten der Apostel war es ein himmelschreiendes Unrecht. Heute ist es eine weltweite humanitäre, wirtschaftliche und auch ökologische Katastrophe, die aus dieser Profitgier weniger erwächst.
Viele hatten wohl ähnlich laute und scharfe Worte erwartet, als Papst Franziskus in dieser Woche seine Amerikareise in die Vereinigten Staaten fortgesetzt hat. Was dort geschah, war erstaunlich und wird wohl in Kirche und Welt noch lange weiterwirken, auch wenn das mediale Echo hierzulande gar nicht so groß war.
Franziskus trat nicht laut und energisch auf. Er wählte bewusst leise Töne, mit denen der Brücken zu den verschiedensten Fraktionen bauen wollte. Aber der Inhalt dessen, was er zukunftsweisend sagte, war messerscharf und kompromisslos.
Den wichtigsten Teil seiner Rede vor dem US Kongress leitet er mit dem Hinweis ein, in vergangenen Jahrhunderten seien Millionen Menschen in die USA gekommen, um ihre Träume zu verwirklichen. Ganz nebenbei transportiert der argentinische Papst die Vision eines gemeinsamen Kontinents. „Wir, die Menschen dieses Kontinents, haben keine Angst vor Ausländern, denn die meisten von uns waren einst Ausländer.“ Er sage das „als Sohn von Einwanderern und in dem Wissen, dass viele von Ihnen auch von Einwanderern abstammen“…
Der Papst erinnerte an die „Goldene Regel“: Behandele andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Er muss zwei Mal ansetzen, um die Regel vorzutragen, denn er wird von Applaus unterbrochen. Diese Regel, so Franziskus, zeige in eine klare Richtung: „Lasst uns die Flüchtlinge mit dem gleichen Mitgefühl behandeln, mit dem wir auch behandelt werden wollen. Lasst uns für andere die gleichen Möglichkeiten suchen, nach denen wir auch für uns suchen … Wenn wir Sicherheit wollen, lasst uns Sicherheit geben.“
Nicht weniger klar äußerte sich auch zum vieldiskutierten Schutz menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Vehement prangerte er die Praxis der Todesstrafe an, die immer noch in weiten Teilen der Vereinigten Staaten praktiziert wird.
Nicht weniger deutlich wurde der Papst dann tags darauf, als der die bisher größte Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York mit einer bahnbrechenden Rede eröffnete. Hier greift er in klaren Worten das Thema seiner Umweltenzyklika auf und redet den versammelten Staatschefs deutlich ins Gewissen. Die Zerstörung der Umwelt benennt er als große Gefahr für die Menschheit. Und ruft zum Kampf gegen Terrorismus und Sklavenarbeit auf. Vor allem aber fordert er von den Politikern, die in großen Worten ein Aktionsprogramm bis 2030 beschließen wollen, das Hunger und extreme Armut weltweit beseitigen soll: „Handelt endlich!“
Meine Lieben,
ähnlich unbequem wie einst der Apostel Jakobus sprach dieser Tage Papst Franziskus nicht nur zu den Amerikanern, oder den Katholiken, sondern zu allen Menschen guten Willens, die diesen Planeten bewohnen. Vor allem aber gelten diese klaren Worte heute auch Dir und mir und allen, die auch hier in unseren Pfarrgemeinden unseren Glauben teilen.
„Handelt endlich!“ Ruft er auch uns ganz konkret zu, in all den verschiedenen Gefahren, die die Welt heute sozial und ökologisch bedrohen. Ich erlebe viele, die das sehr ernst nehmen. Das Bistum Passau stellt nun Teile des Priesterseminars, Jugendhäuser, Turnhallen und sogar den großen Festsaal am Domplatz zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Viele Pfarrgemeinden, die passende Räume haben, tun das ebenso. Schon bisher hat das Bistum Passau rund 2000 Flüchtlinge betreut und begleitet – und das Engagement wird noch größer, sowohl bei der Bistumsleitung, als auch in den Pfarreien und bei den unzähligen und unbezahlbaren Ehrenamtlichen überall.
Aber das gilt auch in anderen Bereichen. Ich erlebe viele engagierte Christen, die sich für Umwelt- und Artenschutz einsetzen, die für eine nachhaltige Energieversorgung werben, die als sich als Bauern für eine nachhaltige, die Schöpfung und ihre Geschöpfe respektierende Landwirtschaft mit ganzem Herzen einsetzen. Das alles zeigt mir, wie wichtig einerseits die klaren Worte von Seiten der Kirche sind, wie sie aber andererseits nur glaubhaft werden, wenn sie von Christinnen und Christen gelebt werden. Das Wort des Papstes an Ordensfreuen in Washington gilt daher sicher auch uns allen:
„Jesus hat gesagt: Geht hinaus und verkündet jedem die Frohe Botschaft. Geht hinaus in meinem Namen und umarmt das Leben, wie es ist – nicht wie es sein sollte … Lasst uns vorangehen!“
Amen.