PFINGSTEN – Was machst du daraus?“

Predigt zum Pfingstfest 2015 – Pfr. Michael Witti

Foto: Witti
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Meine Lieben,

wie erlebt eigentlich ein Bischof einen Firmgottesdienst? Bei der Firmung steht er in einer Pfarrei ja plötzlich ganz vielen verschiedenen Menschen, mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen und ganz individuellen Beziehungen zur Kirche und zum Glauben gegenüber. Egon Kapellari, der langjährige Bischof der österreichischen Diözese Gurk-Klagenfurt, erzählt einige durchaus pfingstliche Eindrücke eines Firmspenders:

„Fast lauter junge Gesichter und leuchtende Augen sind es, in die ein Bischof bei den vielen Firmspendungen … blickt. … Fragen drängen sich auf: Was wirst du, Gottes Geist, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit diesem jungen Menschen tun, der jetzt vor mir steht? Und was wird er in seiner Freiheit mit dir, der niemanden zwingt, tun? Wird er dein Licht in einer großen Lebens- und Glaubenskrise auslöschen? Oder wird er dieses Licht durch ein laues Leben zu einer armselig brennenden Funzel, zu einem glimmenden Docht verkommen lassen? Werden die Augen dieses Firmlings in zwanzig, in fünfzig Jahren inmitten eines dann vielleicht schon runzeligen Gesichtes noch leuchten, weil das Licht des Heiligen Geistes dann immer noch in seinem Herzen brennt? Oder werden diese Augen stumpf sein und werden sich Spuren von tiefen Enttäuschungen, von Gier und von Gleichgültigkeit in dieses Gesicht eingeschrieben haben? Jeder weiß, dass viele junge Menschen mit so guten Gesichtern und leuchtenden Augen zur Firmung herangetreten sind und trotzdem bald darauf schon die großen Ferien vom kirchlichen Leben begonnen haben… Die Firmung ist für sie absurderweise nicht Anfang eines Lebens als mündiger Christ geworden, sondern Abschied vom Leben mit der Kirche… Jede Firmspendung geschieht in der Hoffnung, dass mindestens diesmal kein Firmling mit dabei ist, der in einer der ihm bevorstehenden Krisen den Geist Gottes in seinem Herzen ganz auslöschen wird. Diese Hoffnung gründet auf der Erfahrung, dass viele Getaufte und Gefilmte zwar durch Jahre, ja Jahrzehnte in weite Feme von der Kirche geraten, dass sie aber eines Tages neu zum Glauben erwachen wie aus einem Winterschlaf. Manchmal geschieht dies, wenn sie Mutter oder Vater geworden sind und nun ihren Kindern jenen Glauben vermitteln wollen, den sie selbst anscheinend verloren haben. Öfter aber geschieht dies im Alter oder während einer schweren Krankheit. … Wozu lebe ich eigentlich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Fängt jemand mich auf, wenn ich sterbend fürchte, ins Nichts zu fallen? In christlicher Sicht sind dies Fragen, die der Geist Gottes eingibt und die allein er auf unübertreffliche Weise beantworten kann. Es sind Fragen, die zu einer Tauferneuerung und Firmerneuerung führen können.“[1]

Meine Lieben,

wie schaut es mit dem Heiligen Geist aus, der auch Ihnen für Ihr Leben geschenkt worden ist? Wie lange ist Ihre Taufe her? Woran erinnern Sie sich, wenn Sie heute an Ihre Firmung denken? Uns allen hier ist in Taufe und Firmung ein unüberbietbar großes Geschenk gemacht worden: Gottes lebendiger Geist!

Und dieser Geist will wirken in Deinem Leben und in meinem, durch Dich und durch mich. Durch Gottes Geist haben wir einen Auftrag in dieser Welt, den kein anderer Mensch an Deiner oder meiner Stelle erfüllen könnte. Aber ich muss mich auch ehrlich fragen: Gebe ich diesem Geist die Chance, durch mich auch zu wirken?

Ein modernes Pfingstlied fragt mich da sehr provokant: „Wes Geistes Kind seid ihr, sind Eure Gedanken, Eure Pläne… Eure Programme, Eure Ziele… Eure Aktionen, Eure Taten?“

Aber diese Frage sollte mich ja eigentlich nicht zur zu Pfingsten beschäftigen. Irgendwie frag ich doch jeden Tag schon beim Blick in die Zeitung: „Wes Geistes Kind seid ihr?“ Krieg und Terror, Lügen und Betrug, Spionageaffären und politische Grabenkämpfe begegnen mir ebenso schon beim Morgenkaffee, wie Berichte über dumpfe Parolen rechter Gesinnung, die nur zeigen, dass wir auch 70 Jahre nach der Befreiung Deutschlands oft nur sehr bedingt bereit sind, aus den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte zu lernen.

„Wes Geistes Kind seid ihr?“ – Diese Frage gilt gerade am Pfingstfest aber auch mir selber. Bei den anderen fällt es mir leicht, kritische Töne anzuschlagen und natürlich viel besser zu wissen, was in dieser oder jener Situation zu tun oder zu lassen wäre. Aber wie ist das bei mir selber? Bin ich bereit auch bei mir selbst so kritisch Maß anzulegen? Bin ich bereit, mich zu korrigieren – oder was oft noch viel schwieriger ist: mich korrigieren zu lassen?

Meine Lieben,

Pfingsten ist kein Fest, bei dem ich mit dem Finger auf andere zeigen sollte. Pfingsten erinnert mich daran, dass vor allem auch mir dieser Geist Gottes verheißen und geschenkt ist. Hier und heute will mich Gottes Geist bewegen, wenn ich selber nur bereit bin, meine Taufe und Firmung auch zu leben und mich so von Gottes Geist auch bewegen zu lassen.

Vielleicht würde es nicht schaden, wenn ich gerade zu Pfingsten dieses Lied einmal in der ersten Person Singular singen würde: „Wes Geistes Kind bin ich, sind meine Gedanken, meine Pläne… meine Programme, meine Ziele… meine Aktionen, meine Taten?“ – Dann könnte mir dieses Lied auch eine Antwort geben, die mir noch weit über das Pfingstfest hinaus zu einem bewussteren Leben verhelfen könnte:

„Es wird sich zeigen, du kannst es nicht verbergen, ob du im Worte Jesu zuhause bist.“

Amen.

[1] Aus: Egon Kapellari, Menschenzeit in Gotteszeit. Wege durch das Kirchenjahr. Styria Verlag, Graz Wien Köln 2002.

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