Frieden, Gerechtigkeit und Würde für alle – Predigt Bauernwallfahrt

Bei der großen Baunerwallfahrt am 5. Fastensonntag 2015 hat Pfarrer Michael Witti in der Altöttinger Basilika „St. Anna“ folgende Predigt gehalten:

Zur Gabenbereitung wurde Brot an den Altar gebracht

Meine Lieben,

es war für mich ein sehr beeindruckender Moment, als ich vor einigen Jahren in den Südstaaten der USA war. In Atlanta besuchte in den Stadtteil, in dem der Bürgerrechtler Martin Luther King geboren wurde und aufgewachsen ist. Ich stand lange in der Kirche, in der er oft und oft Jesu Worte auf die Nöte der Menschen seiner Zeit hin ausgedeutet hat. Diese Kirche, in der so vieles geschehen ist, hat mich damals noch weit mehr beeindruckt, als die anschauliche Ausstellung zu seinem großen Lebenswerk nebenan.

„I have a dream!“ – Diese Worte von Martin Luther King gingen um die Welt. Es war der Traum von einer besseren, menschlicheren, weil wirklich geschwisterlichen Welt. Es war der Traum Jesu vom anbrechenden Reich Gottes. Ein Traum, der auch heute noch brandaktuell ist. In einer seiner großen Reden sagte es King so:

„Ich hatte nie die Absicht, mich an die Übel … anzupassen. Ich hatte nie die Absicht, mich an religiöse Frömmelei anzupassen. Ich hatte nie die Absicht, mich an wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen, in denen vielen das Notwendigste vorenthalten wird, um wenigen Luxus zu ermöglichen. Ich hatte nie die Absicht, mich an den Irrsinn des Militarimus und die selbstzerstörerische Wirkung physischer Gewalt anzupassen. Und ich rufe alle Menschen guten Willens auf, nicht-angepasst zu sein, weil es sehr wohl sein könnte, dass die Rettung unserer Welt in den Händen der Nicht-Angepassten liegt.“

Diese Worte mögen Jahrzehnte alt sein, aber sie sprechen mir auch heute noch aus dem Herzen, wenn wir heuer bei der großen Bauernwallfahrt gemeinsam und in ökumenischer Verbundenheit um Frieden, Gerechtigkeit und ein Leben in Würde für alle Menschen auf der Welt beten.

Denn diese Welt scheint immer wieder und vielleicht sogar immer mehr aus den Fugen zu geraten. Konflikte flammen weltweit auf, ein noch vor kurzem schier undenkbares Ausmaß an Gewalt bricht über ganze Völker herein, Fronten verhärten sich und alle noch so gut gemeinten Gespräche, Verhandlungen und Resolutionen können daran nichts ändern.

Neben diesen kriegerischen Konflikten erleben wir, wie ein kapital- und profitorientiertes Wirtschaftssystem zwar einerseits unseren bundesrepublikanischen Wohlstand und unsere Versorgung mit allen nur denkbaren Konsumgütern sichert, andererseits aber auch ganz Völker und Nationen, Millionen und Abermillionen von Menschen in Knechtschaft und Elend stürzt, sie aller Zukunftschancen erbarmungslos beraubt und immer wieder auch ökologische Katastrophen heraufbeschwört.

Auch Ihr, die Ihr hier bei uns, in der bäuerlichen Landwirtschaft unserer Heimat, oft genug um Chancen kämpfen und um die Zukunft Eurer Höfe ringen müsst, spürt die Folgen dieser globalen Wirtschaftskreisläufe. Aber dank vieler Absicherungen und Subventionen sind die sicherlich oft genug ernsten und existentiellen Sorgen der bäuerlichen Betriebe hier bei uns nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges, wenn ich an all die unbeschreibliche Not der Kleinbauern und ihrer Familien in Afrika, weiten Teilen Asiens und Südamerikas und in vielen anderen Krisenregionen der Welt denke.

Unsere Welt gerät aus den Fugen: Wirtschaftliche Not und Verelendung auf der einen, sowie Krieg und menschenverachtende Gewaltausbrüche auf der anderen Seite, lassen mich sorgenvoll in die Zukunft schauen, denn es sind letztlich die zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Oft genug sind es das blanke Elend, die mangelnde Bildung und die fehlenden Perspektiven die Menschen in die Fänge radikaler Hassprediger aller Couleur, aller Weltanschauungen und Religionen treiben. Dann aber wird die Gefahr immer größer, dass man aus dieser tödlichen Spirale des Elends und der Gewalt kaum mehr einen menschlichen Ausweg finden kann.

 

Meine Lieben,

„Als Christus auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der … retten konnte“, so haben wir es in der Lesung aus dem Hebräerbrief gehört.

Mit ihm dem Bruder aller Menschen, bringen auch heute Unzählige mit lautem Schreien und unter Tränen ihre heutigen Gebet und Bitten vor Gott.

ER, Christus, der Bruder aller Menschen, schreit und weint heute mit ihnen, ER prangert das Unrecht an, dem wir alle, in unserer satten Selbstzufriedenheit, meist viel zu gleichgültig gegenüberstehen. Ein wenig Betroffenheit angesichts immer brutalerer Nachrichtenbilder, eine kleine Gabe hier bei der Sonntagskollekte in der Kirche, die unser Gewissen beruhigen und uns das Gefühl christlicher Großherzigkeit geben soll, das alleine reicht nicht: Jesus Christus fordert mehr – auch von Dir und von mir!

Wenn das Wirklichkeit werden soll, was heute als Leitwort über dieser Bauernwallfahrt steht, wenn Frieden und ein Leben in Würde für alle Menschen auf der Welt eine reelle Chance bekommen sollen, dann müssen wir endlich der GERECHTIGKEIT den Weg bereiten, die wir ebenfalls im Leitwort dieser Wallfahrt nennen. Die GERECHTIGKEIT im Blick auf alle Menschen ist der Schlüssel, der das Tor zu einer besseren Zukunft aufschließen kann. Die GERECHTIGKEIT ist der Maßstab, der uns zeigt, ob wir wirklich bereit sind, am Reich Gottes tatkräftig mitzubauen.

 

Meine Lieben,

hier habe ich große Hoffnung im Blick auf den Bauernstand hier bei uns und weltweit. Seit alters her hat der Bauer – vielleicht mehr als jeder andere – ein tiefes Gespür für die Zusammenhänge des Lebens, für das Miteinander und die gegenseitige Hilfestellung und Solidarität, ohne die auf Dauer keine gute Zukunft möglich ist.

Ihr alle hier spürt immer mehr, dass ihr die großen Herausforderungen im Blick auf die Zukunft Eurer Betriebe und unserer bäuerlichen und nachhaltigen Landwirtschaft nur gemeinsam lösen könnt. Ihr spürt es, dass ihr untereinander eine große Solidarität braucht, eine gemeinsame Stimme, ein engagiertes Miteinander, egal ob es konventionelle oder ökologisch orientierte Betriebe sind, egal ob einer schwerpunktmäßig Milch, Fleisch, Getreide oder auch Energiepflanzen produziert.

Bei aller Verschiedenheit, die sicherlich immer wieder auch einmal Fragen oder Konflikte aufwerfen wird, spürt derzeit wohl Ihr Bauern mehr noch als andere, wie wichtig es ist, im Dialog zu bleiben und miteinander Lösungen und Wege für die Zukunft zu finden. Viele Schritte sind hier schon getan, aber viele Schritte sind sicher auch noch nötig, um aus den verschiedensten Ansätze unserer heimischen Landwirtschaft eine kraftvolle gemeinsame Stimme – auch zum Wohle unserer Heimat – zu bilden.

Das gilt aber nicht nur im Blick auf unsere heimische Wirtschaft, sondern auch in der globalen Perspektive. Ich weiß, dass viele unserer bäuerlichen Gruppen und Verbände auch internationale Kontakte pflegen, dass es Projekte in Schwellenländern und Ländern der Dritten Welt gibt, in den unsere Bauernschaft auch weltweit solidarisch lebt. Ich weiß, wie sehr sich viele von Euch dafür engagieren, dass im Kampf gegen Konzerne und Börsen gerechtere Marktstrukturen möglich werden, die auch den Brüdern und Schwestern mit ihren kleinbäuerlichen Betrieben in den armen und ärmsten Regionen der Welt Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben können.

Dieses Engagement für eine gerechtere Welt, für Bildung und Entwicklung, für gerechte Preise und Löhne, gleicht oft genug einem sinnlos erscheinenden Kampf gegen Windmühlen.

 

Meine Lieben,

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“, so sagt es Jesus im Evangelium. Was auf den ersten Blick für Menschen, die mit dem Säen und dem Ernten leben, eine Binsenweisheit sein mag, ist in seiner Symbolhaftigkeit zugleich eine bleibende Herausforderung:

Wenn wir alle hier leben, wie Weizenkörner, die einfach nur die Scheunen füllen, die somit nur Zeichen für Wohlstand und Fülle sind, werden wir diese Welt nicht verändern.

Mit dem Bild vom Weizenkorn fordert Jesus mich auch mich hinzugeben, meine Kraft und mein Leben einzusetzen, mich notfalls aufzureiben, damit neues entstehen kann, damit eine gute Zukunft im Sinne Jesu möglich wird.

ER, Jesus, ging diesen Weg, bis hin ans Kreuz und darüber hinaus vom Tod ins Leben, das er uns allen verheißt. ER ging seinen Weg, der uns Menschen auch heute noch Mut machen will, an Gottes Reich zu bauen, egal, wie viele Widerstände und Schwierigkeiten, wieviel Ungerechtigkeit und Hass es in der Welt auch geben mag. ER ruft uns auf den Weg seiner GERECHTIGKEIT! Im Sinne von Martin Luther King sollen wir so auch noch heute unangepasste Menschen sein, die dann – wie er sein sagte – in der Lage sein werden „aus der öden und trostlosen Mitternacht menschlicher Unmenschlichkeit zum hellen und glänzenden Tagesanbruch der Freiheit und Gerechtigkeit zu gelangen. Das wird der Tag sein, an dem es allen Kindern Gottes – Schwarzen und Weißen, Juden und Nicht-Juden, Katholiken und Protestanten – möglich sein wird, sich an den Händen zu fassen und mit den Worten eines alten Negrospirituals zu singen «Endlich frei! Endlich frei! Dank sei Gott dem Allmächtigen, wir sind endlich frei!»“

 

Meine Lieben,

Hier in Altötting schauen wir auf Maria, durch die Jesus Mensch geworden ist. Sie zeigt uns – ganz menschlich und mütterlich – im alten Gnadenbild Jesus, Gottes Mensch gewordene Liebe!

Mit den Worten, die Papst Franziskus ans Ende seines wunderbaren Schreibens „Evangelii Gaudium“ gestellt hat, möchte ich daher in den Fragen und Sorgen unserer Welt heute mit Euch allen beten:

Jungfrau und Mutter Maria, vom Heiligen Geist geführt nahmst du das Wort des Lebens auf, in der Tiefe deines demütigen Glaubens ganz dem ewigen Gott hingegeben. Hilf uns, unser »Ja« zu sagen angesichts der Notwendigkeit, die dringlicher ist denn je, die Frohe Botschaft Jesu erklingen zu lassen… Erwirke uns nun einen neuen Eifer als Auferstandene, um allen das Evangelium des Lebens zu bringen, das den Tod besiegt. Gib uns den heiligen Wagemut, neue Wege zu suchen, damit das Geschenk der Schönheit, die nie erlischt, zu allen gelange. Du, Jungfrau des hörenden Herzens und des Betrachtens, Mutter der Liebe, Braut der ewigen Hochzeit, tritt für die Kirche ein, deren reinstes Urbild du bist, damit sie sich niemals verschließt oder still steht in ihrer Leidenschaft, das Reich Gottes aufzubauen. Stern der neuen Evangelisierung, hilf uns, dass wir leuchten im Zeugnis der Gemeinschaft, des Dienstes, des brennenden und hochherzigen Glaubens, der Gerechtigkeit und der Liebe zu den Armen, damit die Freude aus dem Evangelium bis an die Grenzen der Erde gelange und keiner Peripherie sein Licht vorenthalten werde. Mutter des lebendigen Evangeliums, Quelle der Freude für die Kleinen, bitte für uns.

Amen.

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Alyssa Losert

Seit September 24 arbeitet Alyssa in der neuen Waldgruppe in unserem Kindergarten als Erzieherin.

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