Predigt von Pfarrer Michael Witti – Fest der Kreuzerhöhung 2014
es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz! Das gilt nicht nur im Blick auf Ärzte, Physiotherapeuten und entsprechende Patienten. Oft ist es auch – im eigentlichen Wortsinn – für uns Christen so: Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz!
Auch wenn das Kreuz ein Zeichen ist, das mich tagtäglich begleitet, so kann ich doch auch verstehen, dass andere ihre Probleme damit haben.
Wer den Lebensweg Jesu nicht kennt, wer nie erlebt hat, wie Menschen aus dem Zeichen des Kreuzes Hoffnung schöpfen, der sieht darin wohl etwas ganz anderes.
Das Kreuz ist dann einfach nur ein Zeichen unmenschlicher Brutalität. Die Juden selbst kannten die Kreuzigung als Strafe nicht. So etwas praktizierten nur die in ihren Augen heidnischen Völker des alten Orients. Für die Juden war schon die vergleichsweise humane Enthauptung mit dem Schwert die schändlichste Todesstrafe. Erst die Römer brachten im ersten Jahrhundert vor Christus die Kreuzigung als lange und grausame Art der Tötung nach Palästina. Bei der Kreuzigung sollte die Qual des Sterbenden möglichst lange anhalten, bis der Erstickungstod endlich Erlösung brachte. Der Tod am Kreuz verband maximale Grausamkeit mit maximaler Erniedrigung und wurde so zum Innbegriff menschlicher Verachtung.
Vielleicht haben sich deshalb auch die ersten Christen gescheut, den Gekreuzigten zu zeigen. Die ältesten Jesus-Darstellungen zeigen den guten Hirten. Das Erkennungszeichen der ersten Christen war der Fisch. Erst später, als die Kreuzigung nicht mehr als Form der Hinrichtung praktiziert wurde, begann man das Kreuz darzustellen und eine Kreuzestheologie zu entwickeln, die über die bloße Grausamkeit hinausgeht.
Wenn nun islamistische Terrorgruppen in Syrien und im Irak wiederum Menschen kreuzigen, als Ausdruck tiefster Verachtung, wird mir erneut klar, warum viele Menschen mit dem Kreuz nichts anfangen können, ja, warum sie oft auch vehement ablehnen.
„Das Kreuz muss weg!“ – Diese Forderung taucht immer wieder mal auf und Gerichte werden angerufen, um entsprechende „Kruzifix-Urteile“ zu sprechen. Die einen sind dann vehement dafür, das Kreuz aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, die anderen kämpfen mit aller Kraft dagegen. Was dabei dann aber oft auf der Strecke bleibt ist die tiefere Botschaft, die hinter dem Kreuz Jesu steht. Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz.
Aber ich erlebe das Kreuz auch ganz anders, vor allem am heutigen „Fest der Kreuzerhöhung“. In der Liturgie dieses Festes erinnern sich die Christen an den 13. September des Jahres 335, an dem die erste Kirche über dem Grab Jesu in Jerusalem eingeweiht wurde. Kaiser Konstantin hatte sie erreichten lassen. Am Tag darauf wurde in dieser Kirche den Gläubigen erstmals das Kreuzesholz zur Verehrung gezeigt, das deshalb an diesem Tag gut sichtbar für alle „erhöht“ wurde.
Aber auch heute noch wird dieses Fest gerade hier in dieser Kirche ganz besonders gefeiert. Die Gemeinde „Heiligkreuz“ trägt ja das erhöhte Kreuz quasi im Namen. Hier feiern wir auch das 2. Hauptfest der „Heiligkreuzbruderschaft“.
Schon 1722 wurde sie gegründet. Darin haben sich Menschen zusammengefunden, die ihren Glauben teilen und gemeinsam leben wollten. Im gemeinsamen Gebet und im Blick aufs Kreuz sucht man hier Kraft und Geborgenheit für ihr Leben, mit all den Höhen und Tiefen, die oft dazugehören. Bis heute wird diese Gemeinschaft gepflegt. Das äußere Zeichen dafür ist der Mitgliedsausweis mit der Einladung zum Gebet vor dem Kreuz und die Gemeinsame Unterstützung von kirchlichen und sozialen Anliegen durch den kleinen Mitgliedsbeitrag. Oder einfacher gesagt: In der Bruderschaft versuchen Menschen im Blick auf das Kreuz Jesu bewusst als Christen in der Welt von heute zu leben.
Meine Lieben,
ich habe hier in dieser Kirche immer wieder neu gespürt und gelernt, was das Kreuz, dieses widersprüchliche Zeichen, für mich und mein Leben bedeutet. Ein modernes geistliches Lied fasst für mich diese Erfahrung so zusammen:
Wirf die Kreuze weg,
sagen alle Leute,
wirf, wirf, wirf sie weg!
Ist kein Sinn in diesen Balken
sind, sind, sind nur Last.
Aber, sagt dein Bruder Jesus,
nur wer nachfolgt und sein Kreuz nimmt, kann mein Jünger sein.
Schwimm im Strome mit,
sagen alle Leute,
schwimm, schwimm, schwimm doch mit!
Hat kein‘ Sinn zu widerstehen,
bringt, bringt, bringt nichts ein.
Aber, sagt dein Bruder Jesus,
nur wer nachfolgt und sein Kreuz nimmt, kann mein Jünger sein.
Stich die Schwachen aus,
sagen alle Leute,
stich, stich, stich sie aus!
Hat kein‘ Sinn auf sie zu achten,
box, box, box dich hoch!
Aber, sagt dein Bruder Jesus,
nur wer nachfolgt und sein Kreuz nimmt, kann mein Jünger sein.
Amen.