Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis 2014 – Lesejahr A (M. Witti)
„Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu. Die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun. Lass die Leute reden bei Tag und auch bei Nacht. Lass die Leute reden, das haben die immer schon gemacht.“
Mit diesem Song waren die ÄRZTE vor einigen Jahren ganz oben in den Charts. „Lass die Leute reden … das haben sie immer schon gemacht…“
In einer dörflichen Gemeinde, wie der unseren, kennt man das allzu gut, denn hier kennt ja fast jeder noch jeden. So geht der Gesprächsstoff kaum einmal aus. Da hilft oft wirklich nur dieser Rat: „Lass die Leute reden…“
Vielleicht denkt Jesus irgendwie ganz ähnlich. Er fragt zwar im Evangelium die seinen zuerst einmal, was die Leute so über ihn denken und reden. Aber dieses Gerede der Leute scheint ihn überhaupt nicht zu interessieren. Jesus weiß wohl sehr genau, warum wir Menschen so gerne über andere reden: weil es viel einfacher ist, viel bequemer, als von sich selbst zu erzählen, als ein Stück des eigenen Lebens preiszugeben.
Aber er will es nicht beim oberflächlichen Ratsch und Tratsch belassen. So stellt Jesus den Jüngern – aber auch uns allen – die wirklich entscheidende Frage:
„IHR aber, für wen haltet IHR mich?“
Wie so oft, ist es wieder einmal Petrus, der im Namen aller nach vorne prescht: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Das ist ein großartiges Bekenntnis. Damit zeigt Petrus, dass dieser Jesus mit keinem anderen zu vergleichen ist, dass seine Botschaft, sein Wirken, seine Person alle Propheten, alles bisher Dagewesene übersteigt.
Und Jesus bestätigt ihn, macht ihn für sein Bekenntnis zur zentralen Figur seiner Bewegung, zum Felsen, dem er die Schlüssel des Himmelreiches überreicht.
Auch jede und jeder von uns hier spricht an jedem Sonn- und Feiertag im Gottesdienst ein großartiges Glaubensbekenntnis. Feierlich werden wir auch heute nach dieser Predigt den Glauben in den alten Formeln der Kirche bekennen. Sind wir dann auch schon so ein glaubwürdiger Felsen, den nichts erschüttern kann, der hier am Ort die göttliche Schlüsselgewalt vertritt? Oder liefern wir eher ein halbherziges Lippenbekenntnis ab?
Der Fels Petrus war – trotz seines großartigen Bekenntnisses – aber auch nicht immer so felsenfest überzeugt, wie er im heutigen Evangelium geschildert wird. Zwar war er oft schnell und eifrig mit der Zunge, aber er konnte dann auch wieder recht schnell einknicken.
Vor sechs Jahren erlebte ich beim Stück „Passion“ Rainbacher Evangelienspielen in Oberösterreich einen ganz anderen Petrus. Im Stück hat er nach der Kreuzigung Jesu in seiner Einsamkeit geklagt:
„Jajaja, Herr, ich bin der ungeduldigste von all deinen Dienern. Der ungeschickteste. Und der armseligste. Dreimal verleugne ich dich in einer einzigen Stunde. Und dann wieder quäle ich dich mit meiner Liebe. Warum musstest du mich Petrus nennen? Ausgerechnet. Hier knie ich, siehst du, dein armer schwacher Felsen.“
Dieser Petrus bei den Evangelienspielen ging mir unter die Haut – und das nicht nur weil er von einem fantastischen Schauspieler dargestellt wurde. Dieser Petrus war nicht der verklärte Kirchenfürst, der halt einmal – beim Leugnen – einen schwachen Moment hatte. In diesem Petrus konnte ich viel von mir selber wiederfinden: Petrus, ein Mensch voller Leidenschaft, voller Liebe, begeisterungsfähig, vollen Einsatz zeigend. Aber eben auch einer, der schmerzhaft merken muss, dass große Wort alleine nicht reichen. Dass es mehr braucht, als ein Lippenbekenntnis, so großartig es auch immer formuliert sein mag.
Dieser Petrus zeigt mir, dass es letztlich die innere Beziehung ist, die mich trägt, dich mich auch in meinem Scheitern wieder aufrichten kann, die mir vielleicht sogar Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit geben kann.
Das Bekenntnis, das Petrus heute im Evangelium ablegt ist großartig. Was es aber wirklich bedeutet, was dieser Jesus IHM wirklich bedeutet, das hat er wohl erst in der dunklen Stunde der Passion Jesu begriffen, nachdem er ihn dreimal verleugnet hatte.
Meine Lieben,
„Lass die Leute reden…“ – Gilt das auch für mich, wenn ich jetzt gleich mit ihnen allen das Glaubensbekenntnis spreche? Oft weiß ich wohl selbst nicht, wie viel davon ein Lippenbekenntnis und wie viel eine echte innere Beziehung darstellt.
Aber eines weiß ich: Es gibt auch in meinem Leben Momente, wo ich tief in mir spüre, was mir dieser Jesus bedeutet. Dann aber braucht es keine großen Worte, keine feierlichen Bekenntnisse. Denn dann spüre ich, wie Jesus auch zu mir sagt, was er einst dem Petrus sagte:
„Selig bist du…“