Meine Lieben,
ich war vom Ostermontag bis zum Weißen Sonntag als „Urlaubspfarrer“ mit einigen Jugendlichen in unserer Patengemeinde im Kaunertal. Mit dem schönen Tal in Tirol verbinde ich inzwischen sehr viel, nicht nur, weil der Hauptort und Pfarrsitz des dortigen Pfarrverbandes auch Feichten heißt, sondern noch vielmehr, weil auch dort eine wunderschöne und für Tirol wichtige Wallfahrtskirche steht. Die Muttergottes von Kaltenbrunn ist ebenfalls eine wunderschöne Figur aus der Zeit der Gotik. Auch sie ist hochverehrt und wurde – wie unsere Feichtener Madonna und das Jesuskind hier auch – in der Barockzeit gekrönt. Aber das Gnadenbild dort in Kaltenbrunn hat noch etwas, an das sich hier bei uns nur noch einige erinnern können: Mutter und Kind sind dort mit einem prächtig gestickten Gewand bekleidet, so wie es ab er Barockzeit auch hier beim Feichtener Gnadenbild üblich war.
Als ich dort am Gnadenaltar die Messe gefeiert habe, blieb mein Blick immer wieder an diesem Gewand der Maria hängen. Einerseits gefiel mir die feine Stickarbeit, die aus dem Kloster Thynrau nahe Passau stammt, wo auch viele unserer Messgewänder hier gemacht wurden. Andererseits fand ich es schade, dass ein großer Teil der schönen alten Figur durch diese prächtige Bemäntelung verdeckt war.
Erst nach der Messe kam mir das Lied in den Sinn, das gerade jetzt im Mai wieder oft und oft von uns gesungen wird: „Maria, breit den Mantel aus…“
Und plötzlich wurde dieses Gewand der Muttergottes von Kaltenbrunn für mich zu einem sehr schönen Symbol.
Im Mittelalter gab es ja den Rechtsbrauch des sogenannten „Mantelschutzes“. Ein bedrängter oder verfolgter Mensch konnte unter dem Mantel oder Schleier einer hochgestellten Person damals Zuflucht und Schutz suchen. Der bergende Mantel gab Schutz und Asyl, ähnlich wie ein Kirchenraum, in den bedrängte sich damals flüchten konnten und in dem sie nicht gefasst werden durften.
Ebenso war es im Mittelalter ein Zeichen der Begnadigung, wenn ein Herrscher einen Delinquenten in seinen Mantel hüllte.
Als ich das so nachgelesen hatte, sah ich den Mantel des Kaltenbrunner Gnadenbildes noch einmal anders und auch das altbekannte Marienlied drückt jetzt noch mehr für mich aus:
Der Mantel Marias wird zum Innbegriff der Geborgenheit, des Schutzes, der barmherzigen Gnade.
Im Blick auf Maria haben seit Generationen die Menschen dort in Kaltenbrunn die gleiche Erfahrung gemacht, wie auch seit über 1000 Jahren hier bei „Unserer lieben Frau von Feichten“:
Bei Maria spürten sie diese mütterliche Geborgenheit, diese im kindlichen Urvertrauen wurzelnde Sicherheit. Denn ganz menschlich zeigt Maria uns den, der der Ursprung aller liebevollen Barmherzigkeit ist: Jesus.
Aus dieser Urerfahrung der Geborgenheit heraus hat wohl auch 1916 König Ludwig III. während des Ersten Weltkrieges den Papst gebeten, sein Bayernland unter den Schutz Mariens zu stellen. Seit damals wird Maria in besonderer Weise als „Patrona Bavariae“ verehrt.
Meine Lieben,
auch wenn es uns äußerlich heute so gut geht, wie kaum jemals zuvor den Menschen hier in der Geschichte unseres Landes, kennt doch auch jeder von uns ganz persönliche Sorgen und Anliegen.
Wenn ich spüre, dass ich damit alleine nicht fertig werde, dass ich keine Antworten auf meine Lebensfragen finde, dass Sorgen mich zu sehr niederdrücken, dann darf auch ich es heute so machen, wie unzählige Menschen in der Vergangenheit:
Dann darf auch ich mich vor Maria klein machen, darf spüren, wie sie mir unter ihrem Mantel Geborgenheit, Trost und Schutz geben will – und wie sie mir dann den zeigen will auf den alles ankommt: JESUS, Gottes Mensch gewordene Liebe!