„Das muss sich ändern“ – Gedanken zum 6. Sonntag im Jahreskreis 2014 – Lesejahr A

Gottes Wort
Gottes Wort

Meine Lieben,

eines Sonntags hält ein Aushilfspriester die Messe in einer kleinen Dorfgemeinde. Gleich nach dem Kreuzzeichen stutzt er, schaut ein wenig verdutzt und klopft ans Mikrophon. „Mit der Lautsprecheranlage stimmt etwas nicht“, sagt er etwas hilflos. Prompt antwortet die Gemeinde: „Und mit deinem Geiste…“

Zugegeben – das war jetzt ein Witz, aber wird nicht gerade im Gottesdienst vieles gesprochen und gebetet, ohne dass man groß drüber nachdenkt.

Grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden. Wenn aber das Ritual nichts mehr mit dem tatsächlichen Leben der Menschen zu tun hat, kann es schwierig, ja, sogar grotesk werden mit solchen ritualisierten Abläufen – und das nicht nur beim Witz mit dem ausgeschalteten Mikrophon.

Manchmal frage ich mich schon: „Müsste man das nicht alles anders machen?“

Diese Frage ist mir in letzter Zeit immer wieder begegnet, etwa bei den angeregten Diskussionen mit Pfarrgemeinderäten im Dekanat.

Den gab Papst Franziskus selbst. Zur Vorbereitung auf eine Bischofssynode hat er eine Umfrage gestartet. Katholiken aus allen Pfarrgemeinden sollten ihr Meinung sagen zur Ehe-, Familien- und Sexuallehre. So etwas gab es noch nie. Der Papst fragt allen Ernstes weltweit die Menschen in den Gemeinden nach ihrer Meinung. Mit großem Engagement gingen die Menschen überall ans Werk.

„Da muss man vieles ganz anders machen“, war bald zu hören. Da wunderten sich die einen, dass es im römischen Fragebogen darum ging, ob es überhaupt Paare gäbe, die vor der Ehe schon zusammenleben würden – „irregulär“ zusammen leben würden – wie es im Text hieß. „Das ist doch ganz normal so“, meinten die meisten. Ich selber kann mich auch an keines meiner zahlreichen Brautpaare erinnern, bei denen das anders gewesen wäre.

„Aber da muss sich nun wirklich etwas ändern“, hieß es wenig später. Es ging um die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Mir kam dabei das Wort von Papst Franziskus in den Sinn, dass die Sakramente keine „Belohnung für die Vollkommenen“ seien, sondern „Heilmittel“ für alle Menschen, die ihrer bedürfen.

„Da muss sich etwas ändern!“ – Oft war das bei den Gesprächen zu hören. Aber es lag auch sehr viel Wertschätzung darin. Die Leute spürten nämlich, dass sie ernst genommen werden, dass ihr Leben die Kirche wirklich interessiert, dass in all den Fragen auch sehr viel Respekt steckt für Partnerschaft, Ehe und Familie in all den verschiedenen Facetten des Lebens.

„Da muss sich etwas ändern…“ – Ich frage mich da aber auch:

„Was hätte wohl Jesus bei all diesen Gesprächen und Diskussionen gesagt? Wie hätte er auf die Forderung reagiert, dass dieses und jenes sich auch in seiner Kirche unbedingt ändern müsste?“ Im Evangelium des heutigen Sonntages  fordert er mich angesichts all dieser Erlebnisse ziemlich heraus:

„Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben.

Genau das wollte ich jetzt nicht unbedingt hören. Das ist doch Wasser auf die Mühlen all derer, die sich mit jeder Veränderung schwer tun, die sich nicht zurechtfinden in unserer freiheitlichen Gesellschaft. Aber Jesu Rede geht ja noch weiter.

Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Aha, ich soll also ausdrücklich nicht so sein, wie jene Pharisäer und Schriftgelehrten. Es geht ihm also nicht darum, mit einem Berg von Geboten und Verboten des Lebens schon im Voraus zu regeln. Gerechtigkeit im Sinne Jesu ist demnach kein Schwarz-Weiß-Denken, das keinen Platz lässt für die vielen Farben und Schattierungen des wirklichen Lebens.

Wenn unsere Gerechtigkeit also viel größer sein soll, als die Gebots- und Verbots-Moral jener Pharisäer und Schriftgelehrten, dann muss auch das unveränderliche Gesetz, von dem Jesus spricht, größer sein, als all die Regelungen, Anweisungen und Rituale, die auch ich oft für unveränderlich halte und gleichzeitig doch auch in Frage stelle.

Aber Jesus geht noch weiter…

Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: … Ich aber sage euch: …“

Nun sagt es sinngemäß auch Jesus: „Das muss anders werden…“ – In Jesu Augen ist es nicht genug, wenn ich nur aus Angst vor möglicher Strafe meinem Bruder nicht dieses oder jenes an den Kopf werfe.

Er fragt mich viel grundsätzlicher: Wie stehst du zu ihm? Was steht möglicherweise noch zwischen euch? Beißt du dir vielleicht nur vordergründig auf die Zunge, um keinen Streit zu entfachen, oder nimmst du ihn – so wie er ist – als „Bruder“ im besten Sinne des Wortes an? Jesus geht es um meine grundsätzliche Einstellung, nicht um einzelne Worte und Taten.

 

Meine Lieben,

„Da muss sich etwas ändern…“ – Ich verstehe die Menschen die das beim Blick auf unsere Kirche mit großer Sympathie, aber auch mit ebenso großem Nachdruck sagen. Hier müssen die Verantwortlichen noch manche „Baustelle“ angehen – nicht nur auf der kommenden großen Bischofssynode in Rom.

Ich verstehe aber auch jene Christen, die ebenso nachdrücklich davor warnen, hierbei nur ja nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es wird nicht immer einfach sein, beide Positionen zusammenzubringen, aber beide gehören zu unserer Kirche.

Eines aber muss sich unbedingt ändern, wenn sich – ganz im Sinne Jesu – vor Gott und für die Menschen wirklich etwas ändern soll:

ICH muss bereit sein, mich selbst immer wieder in Frage zu stellen, um mich auch immer wieder im Sinne Jesu ändern zu können.

Amen.

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Alyssa Losert

Seit September 24 arbeitet Alyssa in der neuen Waldgruppe in unserem Kindergarten als Erzieherin.

2 Kommentare

  1. Seit 25 Jahren bin ich mit einer geschiedenen Frau verheiratet. Ich habe ihre beiden Kinder aus erster Ehe und unser gemeinsames Kind, das ich als Geschenk Gottes empfinde, großgezogen. Was soll ich ändern? Muss ich mich von meiner Frau trennen um wieder das „christliche Gebot“ keine Ehe zu brechen, zu erfüllen? Aus der katholischen Kirche bin ich bis heute nicht ausgetreten – eigentlich aus Überzeugung – nicht weil ich ein Mitläufer wäre.

    Lieber Herr Pfarrer. Verständnis für alle zu haben ist bequem, aber es reicht nicht.

    • Lieber Gerhard,
      ich kann Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Themen sollte sich in diesem Fall in unserer Kirche wirklich auch „von oben her“ etwas ändern. Ich bin sehr gespannt, wie Papst Franziskus mit den diesbezüglich eindeutigen Rückmeldungen zu seiner Umfrage umgeht und was dann im Herbst die große Bischofssynode in Rom dazu sagt.
      Ich danke Ihnen für Ihr Feedback und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles erdenklich Gute und Gottes Segen!

      Michael Witti

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